Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

— 6214 — 
Ganzen. Mit diesem Vorbehalt kann es gesagt werden, dass das Handbuch 
des Völkerrechts für sich und für seine Verlagsanstalt (vormals J. F. Richter 
in Hamburg) ein besseres Schicksal verdient hätte, als ihm wirklich geworden. 
Die „fata libelli* sind nicht immer bloss durch das Schicksal ihrer Autoren 
bestimmt, es laufen auch noch ganz andere Fäden in’s Gewebe. Gewiss war es 
nicht mehr der jugendfrische, thatkräftige Franz v. HOLTZENDORFF, der hier 
den Platz auf der Kommandobrücke einnahm; er war nicht mehr im Stande, 
die verschiedenartigen Arbeitskräfte an den gemeinsamen Grundplan zu bin- 
den, wie er es mit so gutem Erfolge bei seinen ersten grossen Sammel- 
werken gethan. Die stolzen Hoffnungen, die v. H. auf die Praktiker des diplo- 
matischen Dienstes gesetzt hatte, auf DAmBACcH, GEFFCKEN, (GESSNER, CARATHEO- 
DORY, RıviER wurden nur zum Theil erfüllt; seine Einleitung wurde zu gross, 
die litterarhistorische Uebersicht im ersten Bande zu klein und kann besten- 
falls der Aufgabe genügen, die der Franzose einem catalogue raisonne zu- 
weist. Auch die Nachwirkung des deutsch-französischen Krieges kann nicht 
als Rechtfertigung dafür dienen, dass die Darstellung des Kriegsrechts einen 
so erdrückenden Umfang angenommen und dadurch wesentlich mit dazu bei- 
trug, dem Gesammtwerke grössere Beweglichkeit, eine nähere Fühlung mit 
der juristischen Praxis zu nehmen. v. HOLTZENDORFF war zu schwach ge- 
worden, um dem einen Mitarbeiter „Halt!“ und dem andern „Vorwärts!“ 
zuzurufen. Gleichwohl kann nicht geleugnet werden, dass im Handbuch ein 
enormer, seit HEFFTER nicht bearbeiteter Rechtsstoff in einen planmässigen 
Zusammenhang, vielfach sogar in dogmatische Detailarbeit genommen worden 
ist. LamMmascH hat seiner Zeit in der Krit. Vierteljahresschrift (Neue Folge 
Bd. XV S. 128 fi.) den nationalen Werth dieses Werkes betont und mit 
Rücksicht auf die bei diplomatischen Differenzen übliche Anführung von Aus- 
sprüchen der Völkerrechtslebrer die Veranstaltung einer französischen Ueber- 
setzung des Gesammtwerkes oder ihrer praktisch wichtigeren Abhandlungen 
verlangt. Der Gedanke hat in der That grosse Tragweite, wenn wir den 
Antheil in Betracht ziehen, den all die zahlreichen Schiedsprüche und diplo- 
matischen Verhandlungen unserer Zeit den Citaten und „Quellenzeugnissen“ 
aus Cauvo’s vierbändigem Droit international einräumen, obwohl eine nur 
flüchtige Stichprobe an zahllosen Stellen den Beweis dafür zu erbringen ver- 
mag, dass CaLvo’s Arbeit sowohl in der Gründlichkeit des verwertheten 
Quellenmaterials, wie an Objektivität des geschichtlichen Urtheils über zeit- 
genössische Ereignisse weit hinter dem im v. HoLTzennorrF'schen Handbuch 
des Völkerrechts Gebotenen zurücksteht. Trotz alledem nimmt die Ver- 
breitung des Carvo’schen Werkes dank dem Vortheil der Sprache immer 
mehr zu, während das deutsche Handbuch von seiner opferwilligen Verlags- 
firma auf’s Konto der „Immobilien“ gesetzt werden muss ... Von diesem 
litterargeschichtlichen Hintergrund hebt sich der Werth und die funk- 
tionelle Kraft der beiden im Titel verzeichneten neuen deutschen Völker- 
rechtswerke ab. ULLmann sowohl wie v. Liszt stehen auf dem vom
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.