Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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wohl auch der weiteren Praxis das Inventar aufzuschliessen der gewonnenen 
Ergebnisse in Leben und Wissenschaft, so ist dieses Verfahren natürlich 
nicht gefahrlos. Bei den scharf formulirten programmatischen Sätzen, wie 
sie sich aus dem Text des v. Lıszr’schen Buches herausheben, verlieren sich 
oft die Grenzlinien hemmender Gegenargumente, es kommt so manches 
Schaugericht zur besetzten Tafel, an dem sich nur das Auge satt sehen 
kann. Und dennoch ist v. Lıszr’s Experiment aus innern wissenschaftlichen 
Gründen ebenso wie aus den geltend gemachten praktischen und didaktischen 
zu begrüssen. Es kommt in Zeiten der Ueberschätzung jeder Kodifikation 
viel darauf an, zu zeigen, welcher Bestand an positiven, sei es durch Ge- 
wohnheit, sei es durch Gesetz und Vertrag gesicherten Rechtsinstituten auf 
Griffweite vorhanden ist. Offenbar ist es für jedes Wissensgebiet von 
Wichtigkeit, dass der Zeitpunkt nicht verkannt werde, in dem die theore- 
tische Begründung und Sicherung eines bestimmt umgrenzten Problems als 
abgeschlossen, ihr lösbarer Theil als gelöst angesehen und in das Aktiv- 
vermögen der Disziplin eingestellt werden kann. Ein solches Skrutinium hat 
aber auch für die gesammte übrige streng dogmatische Arbeit den hohen 
Werth, den die genaue Kenntniss der sichern oder schwankenden Boden- 
beschaffenheit für Denjenigen hat, der auf dem gegebenen Untergrund weiter 
bauen will. Je nach der Individualität sind dann bei diesem Prozess des 
Durchsiebens die Sieblöcher bald weiter bald enger und demnach das zurück- 
bleibende Stückwerk grösser oder kleiner. In beiden Fällen sieht die Fach- 
arbeit, was bereits gethan ist und was zu thun noch übrig blieb. Dass v. Liszr's 
Auswahl an vielen Punkten anfechtbar ist, darüber ist er weder selbst im 
Zweifel, noch lässt er seinen Leser darüber im Unklaren. Er deutet die 
rationes dubitandi und entgegenstehende Lehrmeinungen loyal, wenn auch 
in äusserster Kürze im litterarischen Apparat an. Immerhin ist es anzu- 
erkennen, wie Verf. trotz der weitgetriebenen Oekonomie auch auf Fragen 
eingeht, die sich noch in der Gestaltung befinden und auf Institutionen, die 
erst die jüngste Verkehrspraxis gezeitigt hat. In der Vorbemerkung zu seinem 
Buche sagt v. Liszt, er wollte mit diesem den Fachgenossen gegenüber 
gleichsam „den Befähigungsnachweis erbringen“ für die wissenschaftliche 
Arbeit im Gebiete des Völkerrechts. Ich glaube, wir können ihm die kleine 
Koketterie mit der Versicherung quittiren, dass wir dem erprobten Meister 
einer andern verwandten Disziplin diese Befähigung von vorneherein zuerkannt 
hätten, auch wenn ihm der vorliegende Nachweis minder gut gelungen wäre. 
Stoerk.
	        
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