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mittelbaren Vorläufer, dem entsprechenden $ 5 eines preussischen
Gesetzes vom Jahre 1860?°, aber im Gegensatze zu den älteren
Quellen den Zusatz führt „oder während eines Belagerungs-
zustandes“, giebt als legislatorischen Willen die Idee zu erkennen,
alle „Zeiten“ zu umfassen, die wegen einer bewaffneten militäri-
schen Aktion im weitesten Sinne die normalen Testamentsformen
gar nicht oder schwerer zugänglich machen und sich darum als
einen „die privilegierte Form zulassenden Ausnahmezustand“
(8 44 cit. sub 4) betrachten lassen ?*. — Gegenüber dieser weiter-
gehenden Interpretation des Wortes „Kriegszeiten“ zu behaup-
ten, der Gesetzgeber habe ein Novum einführen und den in-
zwischen mit Ausbildung des Völkerrechts abgeklärten Begriff
des Krieges ım engsten Sinne in das Reichsrecht einverleiben
wollen, wäre meines Erachtens nur angänglich, falls ein sicherer
Halt für die Annahme gegeben wäre, dass das Trägheits- und
Beharrungsprinzip hier ausnahmsweise nicht Platz greife.
Vergessen wir doch auch Folgendes nicht: Als im Jahre
1860 das preussische und im Jahre 1874 das Reichsgesetz er-
ging, konnte man an Fälle der jetzigen Art nicht denken, weil
man Kriege nur mit den benachbarten Staaten zu befürchten
hatte und alsdann die Anwendung der völkerrechtlichen Grund-
sätze, insbesondere sogar eine offizielle Kriegserklärung, ausser
Zweifel gewesen wäre. Wie vermochte man damals zu ahnen,
dass sich in einem Vierteljahrhundert ungetrübten Friedens
Deutschlands Seemacht und Deutschlands Kolonialpolitik so
mächtig entfalten würden? Hätte man das aber vorausgesehen,
28 Preuss. Gesetz betr. die Befugnis der Auditeure zur Aufnahme von
Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Förmlichkeiten der militärischen
Testamente und die bürgerliche Gerichtsbarkeit über preussische Garnisonen
im Auslande. Vom 8. Juni 1860. (G.-S. S. 240 ff.)
2* Aehnlich offenbar der Grundgedanke im Preussischen All-
gemeinen Landrecht a. a. OÖ. Dem gegenüber wäre es doch ein Rück-
schritt, wenn das oben Anm. 23 genannte preuss. Gesetz nur an Zeiten
eines Krieges im völkerrechtlichen Sinne gedacht hätte,