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Öfficielle Darstellungen staatlicher Einrichtungen, mögen sie in der Form
des Commentars oder der Denkschrift erscheinen, tragen auch nothwendiger
Weise stets das Gepräge einer gewissen amtlichen Einseitigkeit. Kritik
der bestehenden Einrichtung ist so gut wie ausgeschlossen. Eine Be-
rücksichtigung der Literatur findet wenigstens nicht in der bei wissen-
schaftlichen Publicationen üblichen Weise statt. Es kann deshalb an solche
Veröffentlichung auch nicht wohl eine wissenschaftliche Kritik angelegt
werden, um so weniger, wenn der Zweck der Veröffentlichung wie hier
ein ausgesprochen politischer ist.
In der Einleitung des ersten, die Einrichtung behandelnden Theils,
welcher aus der Feder L. Lass’ stammt, finden wir manche Anklänge an
frühere Darstellungen der Entstehungsgeschichte der Arbeiterversicherung.
Weder Raum noch Zweck gestatteten grössere Ausführlichkeit. Die „Kaiser-
liche Botschaft Kaiser Wilhelms des Grossen vom 17. November 1881“ hat
mit dem etwas bombastischen Epitheton von WOoEDTEE's als „magna charta
der Socialpolitik des Deutschen Reichs“ in den einschlägigen Sätzen wört-
liche Aufnahme gefunden. Des Fürsten von Bismarck, welcher im Wesent-
lichen der politische Urheber der Arbeiterversicherung war, ist hier nicht
gedacht. Im Uebrigen giebt der erste Theil eine sehr brauchbare Ueber-
sicht des Inhaltes der Gesetze. Dem Zweck der Denkschrift hätte vielleicht
eine weniger detaillirte, dafür aber die rechtlichen Grundlagen schärfer
beleuchtende Darstellung auch entsprochen.
Der zweite, von Fr. Zaun verfasste Theil wiederholt in seiner Ein-
leitung im Wesentlichen das in der Einleitung zum ersten Theil Gesagte,
namentlich auch die Worte jener Reichstagseröffnungsrede vom 17. Novem-
ber 1881. Es ist hier auch erwähnt, dass der in dieser Rede niedergelegte
„Standpunkt Kaiser Wilhelms I.“ vom Reichskanzler Fürsten von Bismarck
„angelegentlich befürwortet“ worden ist. Im Uebrigen enthält der zweite
Theil in seinem 1. Abschnitt eine sehr verdienstvolle und gründliche wie
auch anschauliche Zusammenstellung der Statistik der Arbeiterversicherung ;
ihr Umfang, ihre Organisation und namentlich ihre Leistungen sind hier nach
jeder Richtung hin befriedigend veranschaulicht. Verf. begnügt sich aber
nicht mit dieser rein statistischen Uebersicht, sondern er entwickelt in einem
zweiten Abschnitt auch die Einwirkung der Arbeiterversicherung auf die
sociale Stellung des Arbeiters und des Unternehmers, sowie auf die finan-
ciellen und socialen Verhältnisse der Gemeinden und der Gesammtheit.
Wenn wir auch in dieser Darstellung keine abschliessende Erörterung über
die Wirkungen der Arbeiterversicherung suchen dürfen, so liegt dach zweifel-
los ein sehr bedeutsamer Behelf dazu vor und erhalten wir von ZAHN
nützliche Aufschlüsse über die förderlichen Wirkungen der Arbeiterver-
sicherung nach jeder Richtung. Eine leider nicht erörterte und doch
auch wesentliche Frage ist die, inwieweit durch eine etwaige künftige,
erhöhte Berücksichtigung des eigentlich technischen Elementes der Ver-