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einander und zu den verschiedenen Staaten und ferner Rechtspflichten der
Stasten unterthäniger, aber selbständiger Organisationen u. 3. w. gegenüber
international ausgedehnten Bevölkerungskreisen“ (S. 3). Wer nicht die tiefer
liegenden Wurzeln dieses etwas spröde formulirten Gedankens ausgräbt,
könnte leicht zur Annahme kommen, dass hier ein alter Grundsatz der Lehre
nur neu textirt worden wäre, Dass Kaurmann damit nicht Längstgesagtes
wiederholen will, wird aber dann besonders erkennbar, wenn wir uns auf
die Banalitäten und Undenkbarkeiten der älteren Schule besinnen, die die
Souveräne zu den wichtigsten Subjekten des rechtsbildenden Staatenkreises
gemacht hatte. Das Novum liegt bei KAUFMANN, soweit ich ihm durch das
stellenweise recht verschlungene Dickicht seiner Beweisführung folgen kann,
in nachstehender Erwägung. Es besteht nicht nur eine Staatengesellschaft,
sondern verschiedene Staatengesellschaften je nach der Verschiedenheit des
Centrums der Interessengemeinschaft, um die sich jeweilig andere Staaten-
gruppen lagern. Das ist ein sehr richtiger und vor Allem für die Frage der
sogenannten „Positivität des Völkerrechts* sehr fruchtbarer Gedanke, der,
so nahe liegend er auch sein mag, bisher in der Litteratur noch nicht so
deutlich wie von KAuUFMAnNn mit den Worten ausgedrückt worden ist: „in
Beziehung auf jede einzelne spezielle internationale objektive Rechtordnung
ist je die betreffende, verschiedene staatlich organisirte Volksgemeinschaften
in sich befassende internationale Völkergemeinschaft, um deren willen diese
internationale objektive Rechtsordnung da ist, das Subjekt derselben“ ($ 1).
Ohne damit irgendwie Kaurmann die Priorität streitig machen zu wollen,
glaube ich dem (f#edanken nahe gekommen zu sein, indem ich vor mehreren
Jahren (Deutsche Juristen-Ztg. 1898) auf die verschiedene Tauglichkeit und
das Ausmass der Organisation der europäischen Staaten hinwies zur
Herstellung neuer grosser Verwaltungsgemeinschaften.
Durch jene Formel KAaurmann’s, wie durch sein ganzes Buch geht aber
auch noch ein zweiter anscheinend ebenso einleuchtender Gedanke: es besteht
nicht nur eine Staatengesellschaft, sondern die Gruppirung der Iu-
teressenten nimmt ausser- oder überstaatliche Organisation zum Mittel- oder
Direktionspunkt und zwar so, dass nicht die Angehörigen der Staaten A,
B, C als kompakte Massen sich zu einer Gemeinschaft zusammenschliessen,
sondern nur bestimmte Interessenten aus A, B, C trefien sich in der Be-
werthung und im Bedürfniss nach gemeinsamem Schutz desselben Rechts-
guts. Auch hier erblickt Kaurmann eine Recht erzeugende Gemeinschaft.
So verlockend auch dieser Programmpunkt Kaurmann’s auf den ersten An-
blick erscheint, er hält doch vor einer schärferen Prüfung nicht Stand.
Gilt das Wort: man kennt, was man liebt, — so lässt es sich auch zuweilen
dahin umstellen, — man liebt, was man kennt. Kaurmann hat sich aus
einer sehr eingehenden Kenntniss der internationalen Verwaltungs- und
Exekutivorgane, der internationalen Staatsschulden-Kontrollkommissionen etc.
zu einer effektiven Ueberschätzung ihrer Rolle im Völkerrechtsleben ver-