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und Süden die führende katholische Partei die Herausgabe einer ihren
Prinzipien entsprechenden Gesammtdarstellung der heute im Mittelpunkt der
rechtswissenschaftlichen, volkswirthschaftlichen und sozialpolitischen Diskus-
sion stehenden fundamentalen Begriffe von Religion und Moral, Recht und
Gesetz, Staat und Kirche, Familie, Eigenthum, politischer Gewalt, Gesell-
schaftsleben etc. Die planmässige Durchführung des bis zum Jahre 1878
zurückreichenden ersten Programms war in die Hände der Görres-
Gesellschaft gelegt. Ohne Ueberstürzung wurde das von Prof. v. HERTLING
1880 entworfene systematische Programm unter seiner fachlichen Leitung
und nach einer umsichtigen Arbeitstheilung unter die Redaktion ApoLr
Bruper’s gestellt. Diese Wahl gab den Ausschlag für das volle Gelingen
der wissenschaftlichen Seite des Unternehmens. Wer A. BRUDER in
seinem stillen Wirken in den Schätzen einer Bibliothek, wie es die Wiener
Universitätsbibliothek, beobachten und ihm dort näher treten konnte, wie
es Referent in Wien noch gethan, der erkannte frühzeitig, dass BRUDER zu
den im deutschen Bibliotheksdienst nicht seltenen emsig wirkenden Forschern
zählte, die dem grossen von ihnen verwalteten Bildungs- und Wissensstoff
nicht fremd gegenüberstehen, sondern ihn mit dem Fleisse eines Arbeiters
tief im Schacht zu bewältigen und zu Tage zu fördern bemüht sind. Seine dem
öffentlichen Recht und den Grenzgebieten der Staatswissenschaften angehö-
rigen Beiträge zum Staatslexikon bilden daher ebensoviele in ihrem vollen
Werthe zu würdigende Beiträge für die Pflege der Disziplin und dürfen
fortan nicht unter dem Vorwande einer parteipolitischen Tendenz im System
der wissenschaftlichen Gesammtarbeit übersehen werden. Das Gleiche gilt
bei unbefangener Prüfung und Würdigung auch von den Arbeiten und fach-
lichen Beiträgen JuLius BAacuEm’s, der nach A. Bruper’s Tod die schwierige
Leitung des wissenschaftlichen Unternehmens in seine feste und zielbewusste
Hand nahm. Tritt hier auch öfter und prononcirter der Parteimann und
'Parteiführer hervor, als etwa in den Beiträgen des ersten Herausgebers, so
kommt BacaHEm’s Studien doch der grosse Vortheil zu statten, den der Mann
der Praxis allezeit vor dem theoretischen Forscher voraus hat. Namentlich
gilt dies von seinen knappen aber doch meist gut orientirten Arbeiten über
Gewerberecht, modernes Verfassungsrecht, Parlamentsrecht u. a. Freilich
wird nicht Jeder im vielfach gespaltenen modernen Juristenlager diese sowie
der anderen Mitarbeiter Momentbilder als gut getroffen ansprechen, als ge-
naue Ausprägungen der juristischen Wirklichkeit in allen ihren Zügen und
Einzelheiten. Aber Eins wird jeder empfängliche Leser des Staatslexikons
bei Heranziehung seines aufschlussreichen Quellenstoffes, seiner ausführlichen
Litteraturnachweise in Erfahrung bringen, dass die lexikalische Anordnung
der Monographierf ihnen nichts von ihrem .fachwissenschaftlichen Werthe
nimmt, und dass diese inhaltlich die Auskunft bringen, die regelmässig von
einem Werke, wie es das vorliegende ist, ordnungsmässig erwartet werden
kann.