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und die Auffassung, dass die elterliche Gewalt eine mit der
Vormundschaft parallel laufende Schutzgewalt sei, die wesentlich
im Interesse des Kindes bestehe und wegfallen müsse, sobald das
"Interesse des Kindes es erfordere!®, haben hierbei unverkennbaren
Einfluss ausgeübt. Schon äusserlich tritt dieser Zusammenhang
durch die zahlreichen Verweisungen des Familienrechtes im
engeren Sinne auf das spätere Vormundschaftsrecht hervor. Man
kann nicht leugnen, dass hierbei auch der Zeitgeist das deutsche
Recht wesentlich beeinflusst hat, indem die staatliche Zwangs-
gewalt zur Herbeiführung erwünschter Erfolge auf sozialem Ge-
biet gerufen wird. Ist dieses Prinzip im deutschen Rechte der
Gegenwart vorherrschend, so werden doch seine Erfolge im
Auslande keineswegs verkannt, wenn es auch namentlich bei
Republiken Anerkennung nicht findet. In dieser Richtung ist
für uns Deutsche von besonderem Interesse das soeben aus-
gesprochene Urteil von THEOPHILE GAUTIER dem Jüngeren, einem
echten Franzosen und Sohn eines der ersten französischen Denker
und Dichter der Neuzeit: „.. .. und darf man behaupten, dass
dieser Herrscher (gemeint ist der deutsche Kaiser), der seine
Rechte nur von Gottes Gmaden zu besitzen erklärt, in Frieden
und Ruhe ein gutes Stück von dem sozialistischen Programm
verwirklicht hat, dessen. Lösung unsere aus dem Volkswillen her-
vorgegangene Republik nicht zu erreichen vermag.“ Bevor wir
unsere Auffassung von dem öffentlich-rechtlichen Charakter des
neuen Vormundschaftsrechtes durch den Nachweis des positiven
Rechtes in Abschnit II, III, sowie Teil II dieser Abhandlung
ergänzen, ist die Berechtigung der Theorie noch durch die
ı? So Komm.-Prot. S. 629 Bd. IV Prot. 310. Vgl. auch Bönm in Gruchot's
Beiträgen 41. Jahrgang 1897 S. 559, der mit Recht „die moderne Auffassung
mit ihrer scharf gesteigerten Staststhätigkeit“ betont. Vgl. endlich
PLaAnk in seiner bekannten Reichstagsrede vom 4. Febr. 1896. Das deutsche
Recht „fasst dieses Recht des Vaters als eine Schutzgewalt im Interesse des
Kindes auf“.