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Werlh, was einen Jahreszins von 275,000 Fr. repräsentirt. In den beiden
Gebänden sind die Generaldirectionen und die Generalseminare der christlichen
Schulbrüder und der Schwestern des Bincenz da Paula seit vielen Jahren
unentgeltlich installirt. Der gegenwärtige Concurrenzkampf zwischen den
Gemeindeschulen und den Congregationen veranlaßt den Gemeinderath, jener
Usurpation des städtischen Eigenthums ein Ende zu machen. Der Präfect
und der Minister werden ihn dabei nicht behindern, da er das Geseß für
sich hat und der Staat in einer ähnlichen Lage sich befindet. Seit zwei
Jahren veranstallete die Regierung einen Kataster und die Schähung aller
Staalsgebände im Lande. Es stellte sich dabei heraus, daß Staaksgebäude
und Staatsgüter im Werthe von mehr als 100 Millionen in Verschollen-
heit, nämlich in die Hände von Congregationen, gerathen waren, die sich
als ihre Eigenthümer betrachten und weder Miethe noch Steuern zahlen.
Der Berichterstatter über das Cultusbudget der Stadt beantragt geradezu
die gängliche Einstellung der bisher in dieses Budget nicht eingestellten Beträge
und empfiehlt: der Gemeinderath solle den Wunsch äußern, daß die Gesetz-
ebung baldigst in dem Sinne geändert werde, daß die Gemeinden die freie
Verfügung über die ihnen gehörigen Gebände wieder erlangen, welche gegen-
wärtig für den Gottesdienst der verschiedenen Culte bestimmt sind, und daß
sie sortan von jeder Last für die verschiedenen Religionen befreit bleiben.“
Wie man sieht, ist es das schwierige Problem der Trennung der Kirche vom
Staat, welches hier ganz unvermuthet im Gemeinderath zur Verhandlung
gebracht wird, als ob derselbe ein Parlament mit unumschränkter gesetz-
gebender Gewalt wäre.
21. November. Der Minisler für die öffentlichen Arbeiten,
Freycinet, legt dem Präsidenten Grévy einen Gesetzentwurf, betr. die
Bewilligung eines Credits von 600,000 Fres. behufs Vornahme
von Vorarbeiten für den Bau einer Eisenbahn durch die Sahara vor.
21. November. Die Kaiserin Eugenie empfängt bei ihrer
Durchreise durch Paris den Prinzen Jerome. Der Prinz ist offenbar
bemüht, sich den Clericalen zu nähern und seine Vergangenheit ver-
gessen zu machen.
26. November. Angesichts der bevorstehenden Wiedereröffnung
der Kammern berathen die verschiedenen Fractionen der republikani-
schen Partei in Fractionsversammlungen und durch ihre Vorstände
über die Lage.
Die sog. republikanische Linke, die stärkste Fraction der Kammer, gibt
dazu den Anstoß. In ihrer Fractionsversammlung werden von allen Seiten
lebhafte Klagen über die Stimmung des Landes erhoben, die durch die Bei-
behaltung der der Republik feindlich gesinnten Beamten hervorgerufen sei.
Die Versammlung beschließt einstimmig, daß ihr Vorstand den Ministern
den Wunsch kundgeben solle, in den verschiedenen Verwaltungszweigen Ver-
änderungen vorzunehmen, ferner, daß ihr Vorsiond sich über alle Fragen der
allgemeinen Politik mit den übrigen Gruppen der Linken ins Einvernehmen
seben solle. Diese verständigen sich darüber, zunächst eine Abordnung an
das Ministerium zu schicken und auf eine eingreifende Purification des Be-
amtenpersonals zu dringen. Waddington erklärt ihr: Die Regierung be-
trachte ihre Aufgabe noch keineswegs als beendet und fei mit der Vorberei-
tung eines Gesetzes betreffend die Reform des Beamtenstandes beschäftigt.