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Mitbesitzrecht wird dann zu Gunsten des kreuzenden Weges in
Form des Polizeibesitzes ausgeübt. Der öffentlich-rechtliche Be-
sitz, der hier entsteht, setzt sich also aus Elementen der beiden
erstgenannten Arten zusammen. Er ist Polizeibesitz zur
Ausübung eines beschränkten Mitbesitzrechtes an einer
öffentlichen Sache°®*®.
2. Wie von einem öffentlichen Sachenrecht, so sprechen wir
auch von öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen, öffentlich-
rechtlichen Forderungen und Verbindlichkeiten. Wieder
aber muss man sich wohl hüten, dass man nicht mit der Ueber-
tragung dieser civilrechtlichen Ausdrücke zu viel Uebereinstim-
mung auch in der juristischen Gestalt und Natur der ent-
sprechenden öffentlich-rechtlichen Erscheinungen sucht. Dafür
hat unsere Darstellung der Beziehungen zwischen Eisenbahn-
verwaltung und Wegeverwaltung mehrfach schlagende Belege ge-
geben. Im Civilrecht ist+das Forderungsrecht klar und scharf;
fehlt es an der Bestimmtheit, so ist das Gericht dazu da, sie
ihm zu geben; kann es das nicht, so besteht kein Anspruch.
8 Die Grundsätze, welche wir für dieses Rechtsinstitut am Gemein-
schaftsverhältnisse zwischen Weg und Eisenbahn entwickelten, werden auch
zur Anwendung kommen bei der Ueberbrückung von Flüssen und Kanälen
durch Weg oder Eisenbahn; ebenso in dem Fall, wo der Schifffahrtskanal
über einen Weg in einer Brücke geführt wird. Auch das Verhältniss
zwischen Festungswerken und öffentlichen Wegen kann Anwendungsfälle
bieten. Das Verhältniss zwischen gemeinen Wegen verschiedener Zu-
ständigkeit wird im Falle der Ueberführung oder Unterführung ganz nach
unseren Regeln zu behandeln sein. Bei Plankreuzungen dagegen entsteht
zwischen solchen kein Gemeinschaftsverhältniss; der geringere Weg geht
hier an der Kreuzungsfläche ganz in dem stärkeren auf, oder der jüngere in
dem älteren. Insofern richtig Obergericht Braunschweig 10. Januar 1856
(SEUFFERT, Arch. Bd. X Note 165): „Wenn die Eisenbahn eine Chaussee durch-
schneidet, so liegt darin ein von der Durchkreuzung mehrerer Chausseen
völlig verschiedener rechtlicher Thatbestand.“ Wenn aber dieses Urtheil das
Wesen der Verschiedenheit darin finden will, dass die Eisenbahn kein öffent-
licher Weg, sondern Privateigenthum des Unternehmers sei, so ist es von
der richtigen Auffassung der Sache sehr weit entfernt,