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zu tragen, der Staat oder der Beschädigte? Diese Frage erhebt
sich seit Jahrhunderten aus dem interessierten Publikum, und
die Theorie suchte und die Praxis war gezwungen, sie zu beant-
worten. Das positive Recht gab eine ausdrückliche Entscheidung
der Frage nicht, die Betonung dessen aber, was das Rechtsgefühl
verlangte, liess es zur Auffindung des Prinzips nicht gelangen. Die
Theorie schwankte hin und her und auf diese Theorie waren die
Gerichte angewiesen. So gelangten auch die höchsten deutschen
Gerichtshöfe nicht zu einer einheitlichen Rechtsprechung. Sowohl
bezüglich der Staatshaftung aus rechtswidrigen Handlungen, die
die Beamten in privatrechtlicher Vertretungsmacht als auch aus
solchen, die sie in Ausübung staatlicher Hoheitsrechte begehen,
gingen nicht allein die Gerichte unter sich, sondern oft auch
ein und dasselbe Gericht in verschiedenen Zeiten von verschie-
denen Prinzipien aus, und auch bei gleichem Resultat findet man
die verschiedensten Begründungen. Manche Seite dieser zu den
interessantesten der ganzen Rechtswissenschaft zählenden Frage
ist aus den Diskussionen geklärt und gefestigt hervorgegangen,
andere Ideen sind im Laufe der Zeit fallen gelassen und über
Bord geworfen worden, eine herrschende Ansicht aber konnten
auch die letzten aus den siebziger und achtziger Jahren her-
rührenden entwicklungsgeschichtlichen Zusammenfassungen? nicht
anführen und ein Blick in die Werke der derzeitigen Autoritäten
lässt uns noch kein anderes Resultat konstatieren. Schon aus
diesem Grunde rechtfertigt sich eine erneute Untersuchung. Noch
mehr aber nötigt das grosse gesetzgeberische Ereignis an der
Wende des Jahrhunderts zu einer neuen Darlegung dieser tief
in das bürgerliche Recht einschneidenden Materie.
®2 E. Lognıne, Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen
seiner Beamten nach deutschem Privat- und Staatsrecht 1879. — R. Pınory,
Die Haftung des Staates für rechtswidrige Handlungen und Unterlassungen
der Beamten bei Ausübung staatlicher Hoheitsrechte, in den Annalen des
Deutschen Reiches 1888 S, 254ff,