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Bevor wir aber zur Untersuchung schreiten, inwieweit das
neue Reichscivilgesetzbuch auf unsere Frage eingewirkt hat,
wollen wir einen Blick auf den Stand der Theorien vor 1900
werfen.
Die Theorien.
Von Interesse ist für uns nur das 19. Jahrh.; über die ge-
schichtliche Entwicklung unserer Frage in den vorhergehenden?
möge die Bemerkung genügen, dass man die Haftpflicht des
Staats hauptsächlich durch eine culpa in eligendo oder die später
nur noch von wenigen beliebte Anwendung der römisch-recht-
lichen Grundsätze vom Mandat zu begründen suchte.
Die verschiedenen Ansichten kann man entweder nach ihren
Begründungen oder nach ihren Resultaten gruppieren. Was zu-
nächst letztere betrifft, so behaupten die einen eine allgemeine
Haftpflicht, d. h. sie machen den Staat verantwortlich für alle
rechtswidrigen Handlungen und Unterlassungen seiner sämtlichen
Beamtenkategorien, gleichviel ob die Rechtswidrigkeit durch
dolus oder culpa, von unteren oder höheren, fiskalischen oder
Regierungs-, Gerichts- oder Verwaltungsbeamten begangen. Dem
gegenüber lassen die Anhänger der beschränkten Haftung diese
nur für einzelne Fälle eintreten. Eine weitere Unterscheidung
ist die in primäre und subsidiäre Haftung. Dort soll sich der
Geschädigte in erster Linie an den Staat oder an Staat und
Beamten halten können, hier verlangt man eine vorgängige,
wegen Zahlungsunfähigkeit erfolglos gebliebene Ausklagung des
Beamten. Es giebt auch Kombinationen dieser Theorien, je
nachdem man die primäre Haftung als eine allgemeine oder als
eine beschränkte auffasst. Zu diesen verschiedenen Resultaten
gelangen ihre Vertreter teils durch privat-, teils durch öffentlich-
rechtliche Begründungen. Eine letzte Gruppe endlich stellt die
Haftung des Staats überhaupt in Abrede‘.
® Vgl. Loenme a. a. O. 8. 7—52.
* Vgl. die einzelnen Gruppen bei PıLory a. a, O. 8. 249 und die auf