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Es ist darum auch durchaus folgerichtig, wenn die einzelstaat-
lichen Befehls- und Verwaltungsorganisationen bestehen bleiben
und an ihrer Stelle keine Bundesbehörden errichtet werden
sollten.
2. Ganz anders aber sind alle diese Fragen zu beurteilen
mit dem Augenblicke, wo die Verfassung des Norddeutschen
Bundes und mit ihr kein Staatenbund, sondern ein Bundesstaat
ins Leben trat. Bekanntlich erfolgte die grundsätzliche Aende-
rung des Verfassungsentwurfs durch die Annahme des Amen-
dements v. BENNIGSEN zu Art. 18E, (Art. 17 R.-V.), wodurch „die
Reichsregierung von der preussischen Landesregierung abgetrennt
wurde“®, Von diesem Augenblicke an gab es einen Bundesstaat,
der nicht bloss aus den Einzelstaaten, sondern als besonderes
Rechtssubjekt auch über ihnen stand. Damit verwandelten sich
die Attribute des preussischen Königs: Bundespräsidium, Bundes-
feldherr, Oberbefehlshaber der Marine, in die verschiedenen Na-
men, unter welchen sich die Rechtsstellung des künftigen Kaisers
verbarg, eines jetzt schon selbständigen Bundesorgans, dessen Per-
son — rechtlich zufälligerweise — mit dem Träger der preussi-
schen Krone identisch war. Gewiss war es politisch notwendig,
dass Wilhelm I. im Jahre 1867 von der Annahme des Kaiser-
titels absah; gewiss herrscht auch heute in der Wissenschaft kein
Zweifel darüber, dass seine staatsrechtliche Stellung von 1867
an im wesentlichen denselben Oharakter trug, wie seit Inkraft-
treten der Reichsverfassung von 1871. Allein es darf nicht ver-
kannt werden, dass die Bezeichnungen der Norddeutschen Bundes-
verfassung damals bei wichtigeh politischen Faktoren Verwirrung
verursachten und eine Unterschätzung der Rechte der Üentral-
gewalt gegenüber der Stellung Preussens herbeiführten. Zu-
nächst wurde die Wirkung des Amendements v. BENNIGSEN hei
der Vereinbarung der weiteren Abschnitte der Bundesverfassung
6 Lapanp, Deutsche Juristenzeitung a. a. O.; HänkL, Organisatorische
Entwickelung der Reichsverfassung 8. 20, 21.