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weshalb man zwar eine einheitliche kaiserliche Marine mit einem
Reichsmarineamt und allen anderen erforderlichen Reichsbehörden
errichten durfte, aber kein ebensolches Reichsheer. Auch heute,
wo die Reichsverwaltungsbehörden für das Heerwesen noch nicht
bestehen, wird die Militärverwaltung von den Einzelstaaten „auf
Rechnung und in Vertretung. des Reichs“ geführt”. (Gegen die
Annahme eines kaiserlichen Kontingents und die Errichtung von
Reichsbehörden für das Heerwesen kann auch nicht die That-
sache geltend gemacht werden, dass das kaiserliche Heer nicht
alle Truppen des Deutschen Reiches umfasst, denn der Unter-
schied gegenüber der Marine ist kein begrifflicher, sondern nur
ein quantitativer; auch wurde bezüglich der Reichspost auf das
Fernbleiben zweier Königreiche von der Reichsverwaltung gleich-
falls keine Rücksicht genommen. Juristisch möglich wäre selbst
ein kaiserliches Kontingent, das nur aus der Streitmacht von
Reuss ä. L. bestünde. Insofern wird ein solches allerdings nicht
durch die Badische Militärkonvention geschaffen, als Konventionen
die Reichsverfassung überhaupt nicht abändern können und
Giltigkeit gegenüber anderweiten Anordnungen der letzteren nur
im Umfange des Art. 66 haben. Die theoretische Grundlage
des kaiserlichen Kontingents ist also die Reichsverfassung selbst,
welche die Abgabe der Kontingentsherrlichkeit durch Staats-
vertrag zulässt und nirgends die Annahme derselben durch den
Kaiser ausdrücklich oder sinngemäss ausschliesst. Die Badische
Militärkonvention füllt lediglich innerhalb der Reichsverfassung
die Cadres des kaiserlichen Kontingents.
e) Der Hauptgrund, weshalb man irrtümlich annimmt, Baden
habe seine Kontingentsherrlichkeit an Preussen abgegeben, liegt
in der Fassung der Konvention, die ohne Rücksicht auf die ge-
schichtlichen Verhältnisse ausgelegt und missverstanden wird.
Zweifellos hätte Preussen die Kontingentsherrlichkeit über die
?2 Entscheidung des Reichsgerichts in Civilsachen Bd, XX S, 152,