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steller wie LABAnD den Kaiser vom König von Preussen — da-
mit die Zuständigkeit und Behördenorganisation des Reichs und
des Einzelstaats — so wenig unterscheidet, wie an folgenden
Stellen: „Die in der Reichsverfassung anerkannten Sätze äussern
in Preussen eine völlig andere Wirkung, wie in allen übrigen
Bundesstaaten: denn da der König von Preussen zugleich Kaiser
ist, so wird die Teilung der Befugnisse zwischen Landesherrn
(Kontingentsherrn) und Kaiser (Öberfeldherr), welche die Reichs-
verfassung anordnet, hier nicht effektiv; sie bleibt eine nominelle,
formale; die quoad ius getrennten Befugnisse fliessen quoad exer-
citium wieder zusammen. Dasselbe gilt vom Reichslande, über
welches der Kaiser die Staatsgewalt ausübt“. Und andererseits:
„Der Kaiser (!) ist Kontingentsherr über die preussischen Truppen
kraft seines Monarchenrechts (iure proprio), über die elsass-loth-
ringischen Truppen kraft der Delegation der landesherrlichen
Rechte seitens des Reichs, über die Truppen der anderen
Staaten®® kraft der Cession durch die Militärkonventionen“ 3,
O nein! Rechtlich ist der König von Preussen Kontingentsherr
über das preussische Heer und die ihm rechtsgiltig einverleibten
kleinstaatlichen Truppen, der Kaiser über einige andere Kontin-
gente, wie Badener und Elsass-Lothringer; Kriegsherr ist überall,
auch in Preussen, der Kaiser und nicht der König von Preussen.
Die thatsächlichen Verhältnisse entsprechen der Reclıtslage bloss
deswegen nicht, weil man letztere hinterher nach ihrer Be-
gründung durch Verfassung und Verträge nicht hat verwirklichen
wollen.
6. Warum? Hier stehen wir vor der dunkelsten, schwierig-
sten und heikelsten Frage in der ganzen Entwickelung unserer
Heeresverfassung. Die veröffentlichten urkundlichen Quellen ver-
sagen- fast vollständig. Dazu kommt der Umstand, dass es sich
# D). h. des angeblichen preussischen Kontingents, das alle Truppen
ausser den bayrischen, sächsischen und württembergischen umfassen soll.
” Staatsrecht II 8. 486, 487.