Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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nicht um bestimmte Versuche einer Fortentwickelung, sondern 
um einen von 1867 bis zum heutigen Tage dauernden, wenn 
auch im einzelnen wohl wechselnden Zustand handelt. Wir 
dürfen annehmen, dass seit 1871 von keiner Seite mehr ein 
kräftiger Anstoss zur Errichtung des kontingentslosen kaiserlichen 
Heeres oder wenigstens eines kaiserlichen Kontingents erging. 
Die Hauptursache, weswegen die halbfertigen Arbeiten liegen 
blieben, liegt also jedenfalls in der Unthätigkeit Preussens auf 
diesem Gebiet seit 1867. Preussen als Einzelstaat war die Auf- 
gabe gestellt, durch Abtretung seiner Kontingentsherrlichkeit an 
das Reich das kaiserliche Kontingent so zu verstärken, dass von 
einem einheitlichen Heer gesprochen werden konnte, selbst wenn 
zunächst die anderen Königreiche fern blieben. Die preussische 
Regierung als massgebender Faktor für Militärfragen im Bundes- 
rate war allein geeignet, die Errichtung der Reichsheeresbehörden 
und die Ausgestaltung des kaiserlichen Kontingentes, soweit es 
schon vorhanden war, herbeizuführen. Beides unterblieb. Wie- 
viel Schuld auf die Verkennung der Rechtslage, auf das Ver- 
harren im Gedankenkreise der Entwürfe von 1866/67, auf 
ungenügendes Verständnis für die notwendige Unterscheidung der 
Rechtspersönlichkeit des Deutschen Kaisers und des Königs von 
Preussen und wieviel auf bewusste und gewollte Hemmung der 
begonnenen Vereinheitlichung des Heerwesens entfällt, kann 
heute noch nicht zergliedert werden. Wahrscheinlich treffen bei 
den wichtigsten und massgebenden Staatsmännern, Beamten und 
Soldaten beide Faktoren zusammen. In erster Reihe richtet sich 
der Blick auf das Empfinden und Streben des gesamten preus- 
sischen Volkes und Heeres, Trotz vereinzelter unitarisch- 
deutscher, also nicht grosspreussischer Neigungen, welche sich in 
fast allen Parteien vorfinden, zeigte ursprünglich die Mehrheit, der 
einflussreiche Adel, mit ihm Bureaukratie und Offizierkorps, so 
gut wie die ehemalige Opposition aus der Konfliktszeit, einen 
ausgesprochenen Zug nach dem preussischen Partikularismus,
	        
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