Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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nach konservativer Betonung der durch Heeresreform und Indem- 
nität geschaffenen innerpreussischen Verhältnisse, sogar eine Art 
wohlwollender Geringschätzung der für herzlich und liebens- 
würdig, aber naiv und erziehungsbedürftig gehaltenen süddeutschen 
Brüder. Bis zum Jahre 1871 kann man diese Stimmung nicht 
tadeln; Rheinbunds- und Triaspolitik erhielten die wohlverdiente 
Strafe. Auch bot das „Neutrum® der kurzlebig gedachten Nord- 
deutschen Bundesgewalt keine Anziehungskraft gegenüber dem 
königlichen Kriegsherrn aus Preussens ruhmreicher Geschichte. 
Vollständig berechtigt war auch der Stolz und die Sorge für die 
altpreussischen Traditionen, mit welchen das ganze Volk ver- 
wachsen war vom ehrwürdigen Monarchen bis zum armen ÄAr- 
beiter, der im Frieden von der sozialen Republik schwärmte und 
bei Königgrätz in bewusster Hingebung für König und Vater- 
land geblutet hatte. Anders muss der unparteiische Beurteiler 
von der neuen Zeit sprechen. Ein machtvolles Kaisertum war 
erstanden und Preussens König war der Träger der sagenum- 
wobenen Krone geworden. Wenn andere Staaten dem Reiche 
die Kontingentsherrlichkeit abtraten, so brachten sie und ihre 
Fürstenhäuser freudig das Opfer ihrer Rechte; in Preussen verlor 
die Dynastie durch einen solchen Schritt nichts; von einem Opfer 
des Staates, dessen Herrscherhaus durch die Reichsgründung so 
grosser Zuwachs an Macht und Ehren zuteil ward, kann gewiss 
keine Rede sein. Die kleinliche Eigenbrödelei gewisser süd- 
deutschen Kreise durch den kleinlichsten und nach BisMArcK’s 
Ausspruch gefährlichsten und unberechtigsten Partikularismus, 
den schwarz-weissen, heilen zu wollen, wäre das verkehrteste Be- 
ginnen. Endlich kann auf eine Schonung wohlbegründeter alt- 
preussischer Empfindungen doch kein Anspruch gemacht werden, 
wo die Kriegsthaten Brandenburg-Preussens, so gut wie die 
ehrenvollen Ueberlieferungen der Bayern und Schwaben, Franken 
und Sachsen, Pfälzer und Alemannen wieder deutsches Gemein- 
gut geworden sind, we es eine deutsche Geschichte giebt, die
	        
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