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kaiserlich heissen sollten, wie ja auch richtigerweise in Baden im
(Gegensatze zu Preussen die vom Grossherzog nach Art. 50 Abs. 5
R.-V. angestellten Reichspostbeamten genannt werden. Am durch-
sichtigsten ist die Rechtslage beim bayrischen Heer. Und wenn
diese auch zu „vielen mit einem bundesstaatlichen Verhältnis fast
unvereinbarlichen Konsequenzen führt“, und im Jahre 1870 die
Bewilligung der bayrischen Forderungen nicht als Befriedigung
der Interessen des Volkes, sondern Nachgiebigkeit an die Herrsch-
sucht der bayrischen Militär- und Civilbureaukratie“ 7” betrachtet
wurde, so kann man doch geduldig die Zeit erwarten, wo auch
der eifersüchtigste Vertreter des föderalistischen Gedankens unter
den deutschen Staaten zur Ueberzeugung kommen wird, Bayern
und die süddeutschen Interessen durch thatkräftige Teilnahme
an der Leitung und den grossen Verhältnissen des Reiches mehr
zu fördern, als durch ängstlich gehütete Sonderrechte und ein
Sonderdasein im engbegrenzten, wenn auch gemütlichen Kreise;
die Zeit, wo der Ausspruch eines geistvollen Rechtsgelehrten
auch innerhalb der blau-weissen Grenzpfähle auf Verständnis
trifft: „Fürst Bismarck hat uns Süddeutsche für unseren Parti-
kularismus hart, aber gerecht dadurch bestraft, dass er uns unsere
Reservatrechte beliess.“
IV. Dringlich wurde die in dieser Studie angeregte Frage
durch die Errichtung der ostasiatischen Truppenteile im Jahre
1900. Dass die gesetzliche, budgetmässige Existenz derselben
erst geschaffen werden muss‘®, wird von der Regierung, dem
Bundesrat wie dem Reichstag, von der Wissenschaft wie von der
öffentlichen Meinung allgemein anerkannt. Aber welche staats-
rechtliche Regelung diese Freiwilligen-Armee erhalten wird, ist
noch nicht erkenntlich. Möglich sind drei Wege, wobei es sich
+ Von JoHANNES MiqveL, heute dem strengen Wächter des preussischen
Staatssäckels gegen die Geldbedürfnisse des Reichs. Materialien der R.-V.
IIL S. 207.
* Dies gilt im Januar 1901.