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völlig gleich bleibt, ob das ostasiatische Expeditionskorps oder
Teile desselben dauernd oder vorübergehend im Inland oder Aus-
land bestehen bleiben sollen. Entweder werden die betreffenden
Truppen ‘der Marine zugeteilt, dann wäre einfach eine Novelle
zum Klottengesetz zu schaffen, und die staatsrechtliche Unter-
suchung ihrer Aufstellung im Jahre 1900 hätte keinen praktischen
Wert. Oder aber es wird eine vom Reichsheer und von der
Marine rechtlich unabhängige Kolonialarmee errichtet. Auch
hier böten sich wohl keine interessanten Schwierigkeiten. Nach dem
Sinne der Gesetzgebung und der Praxis unserer seitherigen Kolonial-
politik würde durch Ergänzung der Reichsverfassung eine der Marine
rechtlich gleichstehende Reichseinrichtung, also ein besonderes
kaiserliches Heer, hergestellt werden können. Am nächsten liegt
aber zur Zeit aus politischen und technischen Gründen der letzte
Weg: durch Abänderung des Militärgesetzes die ostasiatischen
Truppenteile dem Reichsheer als Bestandteil anzugliedern. Hierin
birgt sich die einfachste Lösung aber nur dann, wenn man die
Existenz des kaiserlichen Kontingents praktisch durchführt. In
diesem Falle könnten die heute in China stehenden Formationen
als kaiserliche unter Ausübung sämtlicher Militärhoheitsrechte
durch das Reich bestehen, auch wenn sonst noch einzelstaatliche
Kontingente einen Teil des Reichsheers bilden. Die Zugehörig-
keit württembergischer und sächsischer Offiziere und Soldaten
würde zwar wohl den“ Bestimmungen der Militärkonventionen
über die Erhaltung dieser Kontingente als geschlossener Bestand-
teile des Reichsheers und dem Gesetz vom 26. Mai 1893 betr.
die Ersatzverteilung widersprechen. Allein zur Anordnung dieses
Zustands ist der Kaiser gemäss Art. 63 Abs. 4 R.-V. befugt °®;
überdies bildet die Organisation der Verkehrstruppen und die
Zusammensetzung der Strassburger Garnison einen Präcedenzfall,
4% Bezüglich Sachsens nicht rechtsverbindlichen, Lazann a. a. O. II
S. 508.
5 Die Zustimmung des Königs von Württemberg dürfte nötig sein.