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wissenschaftlichen Pflege des öffentlichen Rechts zugeführt worden,
so hätte dies früher hervorbrechen müssen. So aber gehörten
die Jahre 1869—1871 ausschliesslich der Vorbereitung auf den
Staatskonkurs. Seine Freistunden widmete er nicht wissenschaft-
lichen Spezialstudien. Sie gehörten den Klassikern der Antike:
und ihren modernen Nachahmern und Uebersetzern, PLATEN,
RÜCKERT, GEIBEL. An ihnen bildete er seine natürliche dichte-
rische Begabung. 1872, nachdem er Musse bekommen, gab er
ein erstes Bändchen vorwiegend antiken Stoffen gewidmeter und
in antiken Versmassen gehaltener „Gedichte“ unter dem Namen
MAx SCHLIERBACH -— so nannte er sich nach seinem Lieblings-
aufenthalt Schliersee — heraus. Dieselben erschienen in zweiter,
vermehrter Auflage 1900.
Es kann Wunder nehmen, dass SEYDEL sich nicht dem aka-
demischen Lehramt zuwandte. Der Grund hiefür lag aber wohl
in den überaus günstigen und sicheren Aussichten auf eine hoch-
gehende Laufbahn, welche sich ihm im praktischen Staatsdienst
dadurch bot, dass es ihm gelungen war, im Staatskonkurs vor-
züglich — mit Note I 69/168 — abzuschneiden. Die Güte dieser
Note wird dadurch belegt, dass SEYDEL ungeachtet der damals
vorhandenen Ueberfüllung des höheren praktischen Verwaltungs-
faches bereits am 1. März 1872 als Accessist — d. i. also nach
preussischen Verhältnissen als Regierungsassessor — bei der
Kreisregierung, Kammer des Inneren, von Oberbayern verpflichtet
wurde und schon 2!/ Monate später — am 23. Mai 1872 —
seine Einberufung — in gleicher dienstlicher Stellung als Hilfs-
arbeiter — in das Ministerium des Innern für Kultus- und
Unterrichtsangelegenheiten erhielt, dessen Vorstand damals —
und zwar schon seit 1867 — Minister v. LUTZ war, ein Um-
stand, welcher für SeYDEL’s spätere Lebensschicksale und Erfolge
von nicht zu unterschätzender Bedeutung werden sollte,
So sehr SEYDEL nun von völlig praktischer Thätigkeit in
Anspruch genommen war — die Feierstunden ministerieller Hilfs-