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wahr: die Stunden reinsten Glücks und herrlichsten Genusses
bringen die Stunden der Arbeit, forschender Arbeit, die Stunden
der Konzeption, des Erkennens der beherrschenden Prinzipien,
der ursächlichen Zusammenhänge. Wie viel Glück durfte der
Verstorbene daher in diesen zehn Jahren unermüdlicher, unab-
lässiger Arbeit kosten! unsagbar viel. Aber nicht nur solch’
Glück durch Arbeit ward SEYDEL in jenem Jahrzehnt beschieden,
sondern jene zehn Jahre bedeuteten für ihn auch zehn Jahre
jungen Glücks einer harmonischen Ehe. Im Jahre 1881 hatte er
gelegentlich der Hochzeit seines intimen Freundes und nachmaligen
Schwagers, des jetzigen Oberregierungsrates im Staatsministefium
des Innern KRrAZEISEnN, bei welcher er als Brautführer fungierte,
ein Kind seiner schönen Heimat, das ihn bezauberte, kennen
gelernt. Die Begegnung führte zu gegenseitiger Liebe. Gelegentlich
eines Ausfluges nach Auerbach an der Bergstrasse, Pfingsten 1882,
war sie sich gegenseitig gestanden. Am 12. März 1883 führte
SEYDEL in der jugendlichen Tochter JoHANnNA des damaligen
praktischen Arztes und nachmaligen Direktors der Kreis-, Kranken-
und Pflegeanstalt zu Frankenthal, Medizinalrat Dr. RıcHARD
ZÖLLER, eines in der ganzen Pfalz hochangesehenen Arztes, der
auch durch viele Jahre Präsident des pfälzischen Landrates war,
eine edle Gattin heim, die treue und beste Gefährtin seiner Jahre
des Schaffens.
Von der Freude, von dem Glück, das der Gelehrte SEYDEL
in seinem Beruf, in seiner forschenden Arbeit empfand, singt uns
der Dichter gleichen Namens nichts. Aber seiner Liebe Glück
wird er begeisterter Sänger. Die herzerquickendsten Erzeugnisse,
welche seine Poesie schuf, sind die Lieder „an Hanna“, die er
der zweiten, seinem Schwager KRAZEISEN gewidmeten Auflage
der „Neuen Gedichte“ anhing. Eines ist inniger als das andere:
„Begegnung“, „Heidelberg“, „Tanz“, „Auerbach“, „Ich und Du
sind eins“, „Pandekten“; das innigste und seelenvollste aber
ist das den Titel „Glück“ tragende, der Gattin zur zehnjährigen