— 378 —
heraus. Aber beim Examen im Juli 1893 befiel ihn eine starke
Unpässlichkeit. Man führte sie — naheliegend genug — auf
nervöse Abspannung, Reaktion des übermässig angestrengt ge-
wesenen Nervensystems zurück. Allein ein langwährender Aufent-
halt in Arosa in Graubünden vermochte das körperliche Un-
behagen nicht zu heben, den Kopfdruck nicht zu beseitigen.
Indes, SEYDEL konnte das kommende Wintersemester hindurch
seinen Berufspflichten vollauf nachkommen. Aber anfangs März 1894
erkrankte er und am 19. April trat ein Schlaganfall ein: ein
organisches, mit der vorausgegangenen Nervenanstrengung in gar
keinem Zusammenhang stehendes, auf angeborene körperliche
Disposition (zu dünne Arterienwände) zurückführendes Leiden,
beginnende Arterienverkalkung mit ihren Begleiterscheinungen
(Herzerweiterung und Nierenschrumpfung), hatte sich angemeldet,
Erfreulicherweise gestaltete sich das erste Auftreten des Leidens
als ein leichtes. Die Folgen des Schlaganfalls waren verhältnis-
mässig rasch behoben. SEYDEL nahm für das Sommersemester
Urlaub, um sich in Miesbach und Innichen völlig zu erholen.
Aber er konnte nicht gesunden. Ende Oktober nach München
zurückgekehrt, musste er den Beginn seiner Vorlesungen doch
hinausschieben und Mitte Dezember dieselben völlig einstellen.
Man erkannte, dass SEYDEL, vollkommen unabhängig von seinem
ersten Leiden, seit Jahr und Tag auch an einem tiefsitzenden
Ohrgeschwür erkrankt war. Von diesem, nicht von vorausge-
gangener Ueberarbeitung, rührte der nicht weichen wollende
Kopfschmerz her. Unter schwierigen Verhältnissen las und exa-
minierte SEYDEL im Sommersemester 1894. „Ich hätte es jetzt
wirklich verdient“, schreibt er am 18. Juli 1895 in Hinblick auf
sein langwieriges Ohrenleiden, „wieder gesund zu sein.“ Aber
sein Wunsch sollte zunächst nicht erfüllt werden, wenn SEYDEL
auch seiner Berufsthätigkeit nachzukommen vermochte.
Glücklicherweise machte das organische Leiden nur unmerk‘
liche Fortschritte, aber die Ohreneiterung zog sich durch Jahre