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hin, bis sich der Kranke auf Anraten seines Schwiegervaters
entschloss, Professor ÜRBANTSCHITSCH in Wien zu konsultieren,
der ihn dann auch am 8. Okt. 1897 durch eine Radikaloperation
von seinem durch Jahre bestandenen Öhrenleiden befreite. Es
war eine herzinnige Freude für alle, die ihm näher standen, dass
SEYDEL anfangs 1898 seine Vorlesungsthätigkeit wieder aufzu-
nehmen vermochte. Wie viel war es, dass SEYDEL dank der
hilfreichen Hand ÜRBANTSCHITSCH’s Ende Januar schreiben konnte:
„Mir geht es relativ wohl.“
Aber dies relative Wohlbefinden sollte nicht lange währen.
Das organische Leiden nahm rascheren Fortgang. Die trübste
Leidenszeit stand für den Dulder bevor. Schon im Frühjahr 1898
stellte sich wieder stärkerer Kopfschmerz ein. Aber SEYner hielt
unerschütterlich im Beruf aus. Die grossen Ferien verbrachte
er in Miesbach. Er las auch den folgenden Winter durch. Aber
Anfang März 1899 ergab sich wieder ein Bluterguss ins Gehirn
mit Lähmungserscheinungen an den unteren Extremitäten. Das
körperliche Leiden schritt unaufhaltsam vorwärts. Am 23. April
1901 trat tötlicher Schlagfluss ein. Ein sanfter, friedlicher Tod
hatte langer Leidenszeit ein Ziel gesetzt. Teils in München,
teils in dem lieblichen Ettendorf bei Traunstein hatte SEYDEL
die letzten beiden Jahre verbracht.
Aber auch die langen Leidensjahre als solche waren: von
einem milden Geschick doch gemildert. Zwar hatte das schwere
Ohrenleiden dem lebhaften Mann auch die harte Pflicht auferlegt,
dem gesellschaftlichen Verkehr völlig zu entsagen; denn die
Krankheit sass im linken Ohr und dieses war in Bezug auf
Hörfähigkeit bis dahin gerade das leistungsfähigere gewesen.
Aber was SEYDEL blieb, war die Beschäftigung mit seiner Wissen-
schaft. Welch’ gütige Fügung des Schicksals war es gewesen,
die SeypeL dem akademischen Berufe zugeführt hatte. Wie viel
schwerer hätte der Verlebte den mündlichen Verkehr entbehren
müssen, wenn er im praktischen Staatsdienst zurückbehalten