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mulierung der Gedanken und unbeirrbare Logik. Alle diese
Eigenschaften sind leicht erwiesen.
Auf SeYDEL’s Gabe eminent raschen Erkennens der der
Fülle der Erscheinungen zu Grunde liegenden Pinzipien beruht
die ausserordentlich grosse und doch immer tiefgehende Frucht-
barkeit seiner Feder. Ohne diese Gabe leichter und rascher
Produktion wäre sein bayerisches Staatsrecht nicht entstanden.
Wie Herrliches und Vieles wäre dank dieser Gabe von SEYDEL
noch zu erwarten gewesen!
Auf SeyDEr’s einfacher, klarer und unerbittlich konsequenter
Gedankenführung ruhte SEYDEL’s mächtiger Einfluss auf seine
Hörer und auch auf seine Leser. Diese geschlossene Durch-
sichtigkeit seines Systems hat ihm sonder Mühe grossen Anhang
verschafft. Man muss es mit erlebt, als Schüler selbst zu SEYDEL’s
Füssen gesessen haben, um beurteilen zu können, wie SEYDEL’S
Schüler für des Lehrers Anschauungen durchs Feuer gingen. Es
ist nicht an dem, dass SEYDEL’s grundlegende Anschauungen
Boden nur in Bayern fassten. Das trifft zu lediglich für seine
Anschauung von der rechtlichen Natur des Reiches, aber auch
diese würde in das übrige Deutschland mehr hinausgetreten sein,
wenn in München mehr nichtbayerische Studenten nicht bloss die
ersten, sondern auch die letzten, dem öffentlichen Recht gewidmeten
Semester verbrächten. Die grundlegenden Anschauungen von
Staat und Souveränität im allgemeinen aber haben auch ausser-
halb Bayerns und über die Grenzen Deutschlands hinaus, nament-
lich in Oesterreich, vielfältige Aufnahme gefunden und befruchten-
den Einfluss geübt.
Und weiter: SEYDEL’s Originalität! Am glänzendsten tritt
sie hervor, wenn wir nachfragen, auf welchem Wege SEYDEL zu
seinen Theorien gelangte, auf wessen Schultern er steht. Gewiss,
in der Methode, in er ihm eigenen formalistischen, begriffsmässig
deduktiven, konstruktiven, das historisch-politische Auslegungs-
moment grundsätzlich zurückweisenden Methode hat er ein Vor-