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bild. Er ist, wie die ganze, dieser Richtung angehörende neu-
deutsche Staatsrechtsschule, entschieden von GERBER beeinflusst,
dessen Grundzüge des deutschen Staatsrechts 1865 zuerst, 1869
zum zweiten Male erschienen waren. Aber lediglich in der Me-
thode. In seinen materiellen Grundansichten weicht SEYDEL von
GERBER völlig ab, bekämpft er ihn und geht er seine eigenen Wege.
Unbestreitbar hat SEYDEL auch in seinen grundsätzlichen Ansichten
zum Teil Vorgänger, d.h. bei andern Anregung gefunden. Aber
diese Vorgänger gehören nicht dem Staatsrecht, sondern anderen
Rechtsgebieten an. In der realistisch-empirischen Auffassung des
Rechts steht er zweifellos unter dem Einfluss IHERınG’s, in seiner
Verwerfung der juristischen Person als wirkliche Rechtsfigur nach
eigener Angabe auf den Schultern von UNGER und Briınz, aber
was seine eigene That ist, das ist der Gedanke, diese Grund-
anschauungen auf das Wesen des Staates zu übertragen, und der
Aufbau des ganzen Systems der Staatsrechtsordnung auf diesen
Anschauungen. Vollkommen frei von jedem unmittelbaren Vor-
gänger ist SEYDEL’s Nachweis der Unvereinbarkeit des damals
herrschenden Bundesstaatsbegriffes mit dem Wesen der Sou-
veränität.
Aber nicht allein in seinen auf die Grundbegriffe des Staats-
rechts bezüglichen Lehren zeigt sich SEYDEL’s Originalität und
Selbständigkeit, sondern auch in der Behandlung der einzelnen
Institute des Staatsrechts. Am schlagendsten erhellt dies aus
seiner Bearbeitung von Bayerns öffentlichem Recht im Vergleich
mit den Bearbeitungen des gleichen Stoffes durch andere vor ihm.
Welch’ ausserordentliche Vertiefung und Neubegründung des
Ganzen! Wir reden hier nicht von der grösseren Reichhaltigkeit
des Stoffes. Sonder Zweifel, diese mag zu grossem Teile dem
Umstand zu danken sein, dass SsYDEL Quellen eröffnet wurden,
die seinen Vorgängern unzugänglich blieben. Hier handelt es
sich um die Art der Behandlung des Stoffes. Pözu’s, seines
unmittelbaren Vorgängers, Darstellung ist doch mehr nur Staats-