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rechtskunde, äussere Zusammenreihung von Staatsrechtssätzen.
Wie sehr stellt dagegen er das innere Band zwischen Rechtssätzen
und Rechtsinstituten dar! Wie weiss er Prinzipien zu entdecken
und aus den Prinzipien, auf welche die Masse der gesetzlichen
Einzelbestimmungen zurückführt, neue Rechtssätze abzuleiten!
Um nur einiges zu erwähnen, seine Auffassung der Rechtsstellung
des landesherrlichen Hauses, die von ihm behauptete Eigenart
des Budgetrechtes der bayerischen Volksvertretung, seine Kon-
struktion des Wesens der höheren (femeindeverbände, der recht-
lichen Natur der Volksschule, seine Lehre vom staatskirchlichen
Placet, von den Besonderheiten des bayerischen Militäretats u. a.
In welchem Masse SEYDEL seine eigenen Wege geht, das wird
noch mehr hervortreten, wenn einmal eine Bearbeitung des
bayerischen Staatsrechtes von anderer Grundanschauung aus unter-
nommen werden sollte. Wie sehr wird da insbesondere auch
hervortreten, welch’ grossen Einfluss SEYDEL’s besondere Stellung
zu den Grundfragen des Staatsrechtes auf die Entscheidung von
Einzelfragen ausübt.
Und zu dieser Ursprünglichkeit der Konzeption kommt dann
die hervorragende Gabe scharfsinnigster Folgerichtigkeit in der
Durchführung des aufgenommenen Fundamentalgedankens. In
welchem Grade lassen schon seine Erstlingswerke diese Gabe
erkennen! Ist der Staat keine Persönlichkeit, dann löst sich das
ganze Staatsrecht in Rechtsverhältnisse nur zwischen Individuen
auf, Mit welcher Konsequenz ist dieser Gedanke in seinen
„Grundzügen einer allgemeinen Staatslehre“ durchgeführt! Und
wie folgerichtig konstruiert er von seiner Grundanschauung über
das Wesen der Bundesgewalt aus Organisation und Thätigkeit
derselben!
Mit SEYDEL’s wissenschaftlicher Originalität und Unabhängig-
keit, auf welch’ beide im Grunde genommen auch seine Gabe
strenger F'olgerichtigkeit zurückführt, hängt zusammen, dass SEY-
DEL an seinen in der Jugend aufgenommenen Grundanschauungen