Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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nicht, sondern er hat es.“ Ich wüsste nicht, auf wen dies mehr 
Anwendung finden könnte, als auf ihn selbst. Seine Theorien 
waren mit seinem Inneren, seiner Individualität untrennbar ver- 
bunden. 
Zieeigten schon die Grundanschauungen Widersprüche, um wie 
viel mehr mussten solche dann noch in der Durchführung im 
einzelnen hervortreten. Aber selbst wenn die Grundanschauung 
zutreffend war, die historische Entwicklung verläuft nicht immer 
folgerichtig. Auch aus diesem Grunde waren Widersprüche mit 
dem positiven Recht unausweichlich. Zur Aufgabe seiner Grund- 
ansichten vermochten sie SEYDEL nicht zu bewegen. Sich von 
ihnen loszusagen, war ihm natürlich unmöglich. 
Seiner Selbständigkeit entsprechend, war es überhaupt nicht 
SEYDEL’s Art, sich viel mit Anschauungen anderer auseinander- 
zusetzen. Dies tritt besonders in seinem bayerischen Staatsrecht 
hervor. Gewiss war SEYDEL dazu zum Teil dadurch veranlasst, 
dass das Werk sonst ins Unermessliche gewachsen wäre. Aber 
auch über naheliegende Fragen, wie z. B. über das Wesen der 
Verwaltungsrechtspflege, tritt SEYDEL in keine Auseinandersetzung 
mit anderen in der Litteratur des allgemein deutschen Verwaltungs- 
rechts hervorgetretenen Meinungen ein. Die Kritik anderer liess 
er ruhig über sich ergehen. 
Nur in einem Punkte machte er eine Ausnahme. Dann 
wandte sich SEYDEL gegen die Kritik und setzte sich mit ihr in 
aller Schärfe auseinander, wenn sie seine Theorie von der recht- 
lichen Natur des Deutschen Reiches betraf und er sah oder 
wenigstens glaubte, sehen zu müssen, dass sie von Fachgenossen 
nicht als rein staatsrechtliche, sondern als mit politischen Ab- 
sichten verbundene angesprochen wurde. In diesem Punkte war 
er sterblich. Die Bezeichnung seiner Lehre als einer bayerischen 
durch Männer der Wissenschaft versetzte ihn in heftige Ersegung. 
Selbst dann konnte da sein Blut schon in Wallung geraten, wenn 
seine Schule nur in dem Sinne als eine bayerische bezeichnet
	        
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