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im übrigen, z. B. für ihre Auffassung des Verhältnisses von Staat
und Kirche, bei SEyYDEL keine Stütze fanden, in ihrer Beurteilung
der Beziehungen der deutschen Einzelstaaten zum Reich sich
gerne auf SEYDEL als Autorität beriefen. Aber gerade, weil
dies der Fall war, sah sich SEYDEL veranlasst, jeder Bezeich-
nung seiner Lehre als einer bayerischen unter allen Umständen
zu begegnen. In der That war kein Vorwurf, wenn er ernst
gemeint war, unbegründeter als der, dass SEYDEL mit seiner Theorie
von der Staatenbundsnatur des Reiches politische Absichten ver-
folgt habe oder solche habe unterstützen wollen.
SEYDEL ist zu seiner Auffassung von dem rechtlichen Wesen
des Deutschen Reiches nicht als Bayer, sondern als Jurist, von
seiner juristischen Grundanschauung aus gelangt. SEYDEL wäre
zu dieser Auffassung auch gekommen, wenn er nicht als Bayer
geboren worden wäre oder wenn er ausserhalb Bayerns gelehrt hätte.
SEYDEL wurde zu seiner Theorie dadurch geführt, dass er die
Möglichkeit einer juristischen Person leugnete. Eine Mehrheit
von Herrschern kann nach ihm nicht ein neues Rechtssubjekt, eine
neue Persönlichkeit, sondern lediglich eine Summe von Personen
bilden. Denn aus einer Mehrheit von Menschen wird kein neuer
Mensch und nur Menschen sind reale Persönlichkeiten.
Wir haben hier nicht zu betonen, dass die Schlussfolgerung,
welche SEYDEL aus seiner Auffassung der juristischen Person zog,
zu weit ging. Was er daraus ableiten konnte, war nur, dass
die persönliche Organisation der Verbündeten lediglich eine ge-
sellschaftsartige sei. SEYDEL ging weiter und folgerte daraus
auch, dass auch die Gewalt, die sie besassen, nur eine gesell-
schaftliche Zusammenlegung eines Bundes von Einzelstaats-
gewalten sei. Allein mit der Annahme, dass die Verbündeten
sozietätsartig organisiert seien, ist wohl vereinbar, dass die Gewalt,
die sie ausüben, nicht eine Gesellschafts-, sondern eine Staats-
gewalt ist. Es ist die Möglichkeit vorhanden, dass die sozietätsartig
organisierten Verbündeten einen neuen Staat bilden, das Deutsche
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