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freie Behandlung staatsrechtlicher Fragen. Dafür trat er pro-
grammatisch in dem Vorwort ein, mit welchem er seinen Eintritt
in die Annalen des Deutschen Reiches 1881 begleitete. Er fordert
sachliche und nur sachliche Behandlung staatsrechtlicher Dinge,
— sachliche allerdings unbekümmert um die politisch-thatsächliche
Wirkung, welche das rechtliche Urteil zu haben vermag.
Selbst wenn es aber zutrifft, dass die Theorie SEYDEL’s
die Gliedstaaten freier stellt, als die andere Reichsauffassung,
und insoferne partikularistisch ist, so lässt sich dieselbe doch nur
dann als dem Reichsinteresse abträglich, als reichsfeindlich be-
zeichnen, wenn man Reich mit Unitarismus verwechselt. Aber
Reich im Sinne der Reichsverfassung ist nichts Unitarisches,
sondern der Name für einen Bund. „Dieser Bund wird den
Namen Deutsches Reich führen.“ Der Bundescharakter des
Reiches wird durch diese Theorie in keiner Weise beeinträchtigt.
Die Theorie ist organisatorischem Unitarismus, aber nicht dem
Reichsgedanken zuwider. Denn der Reichsgedanke ist in erster
Linie nicht Einheit, sondern Gemeinschaft, Schaffung von materieller
Einheit nur in gewissen Richtungen und nur auf dem Wege
des gleichen Mitwirkungsrechtes. Hätte SEYDEL seine Anschauung
darum, weil sie die Wirkung hat, dass sie der Fortentwicklung
des Reiches zum Unitarismus entgegensteht, etwa gar aufgeben
sollen? oder hätte er sie auch schon aufgeben sollen, wenn sie
auch nur dem Bundesgedanken nachteilige Wirkung besass? Dann
würde von SEYDEL Selbstentehrung gefordert worden sein. Man
mag und muss unter Umständen vom praktischen Staatsmann,
vom Politiker fordern, dass er seine juristische Meinung aufgibt
oder mit ihr wenigstens zurückhält, wenn das höhere Interesse
des Staats- und Volkswohles dies heischt. Aber von dem wissen-
schaftlichen Forscher auf dem Gebiete des Staatsrechts sei solches
Ansinnen ferne. Wie der wissenschaftliche Forscher das politisch
höchst Zweckmässige nicht vertreten darf, wenn es nicht das
Rechtliche ist, so hat er auch — gefragt — das politisch Nach-