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von da an die Wartz’sche Theorie erschüttert und seine Lehre
die massgebende wurde. Zog die Mehrzahl der Schriftsteller
aus SEYDEL’s Theorie auch andere Konsequenzen, als ihr Ur-
heber, ja sogar dessen Ableitungen geradezu entgegengesetzte
Folgerungen, das Verdienst bleibt SEYDEL der Souveränitätslehre
von heute eine neue Grundlage gegeben zu haben.
Liegt dieses Verdienst mehr in der Negative, so liegt ein
anderes ausschliesslich in der Positive. In seinem bayerischen
Staatsrecht hat SEYDEL ein Vorbild für jede andere Bearbeitung
eines deutschen Landesstaatsrechtes geschaffen. Es ist nicht
bloss die eingehendste und gründlichste, sondern auch die prin-
zipiell-juristisch am tiefsten durchgearbeitete und in allen ihren
Teilen den oft spröden Stoff juristisch am meisten belebende Dar-
stellung eines deutschen Grliedstaatsrechtes nach moderner rein
staatsrechtlicher Methode. Sichert die erstgenannte That SEYDEL
einen ständigen Platz in der Geschichte der allgemeinen, so sichert
ihm das letzterwähnte Werk einen ständigen Platz in der Ge-
schichte der speziell deutschen Staatsrechtslehre.
Aber nicht nur um die Theorie, sondern nicht minder, ja
in noch viel höherem Masse hat sich SEYDEL verdient gemacht
um die Praxis des Staatsrechts, um bayerische Verwaltung,
Politik und Gesetzgebung. Wie SEYDEL durch Erörterung der
zahlreichen Kontroversen der Kasuistik für lange der baye-
rischen Verwaltung ein zuverlässiger, sicherer Führer wurde, so
hat er auch durch seine gewissenhafte, sachlich-eingehende und
scharfsinnige Erörterung der verfassungsrechtlichen Fragen des
bayerischen öffentlichen Rechts sowohl nach der geschichtlichen,
wie nach der dogmatischen Seite der bayerischen Regierung und
den politischen Parteien in Bayern ein mustergiltiges Handbuch
geliefert, aus dem sich rasch entnehmen lässt, wie nach den Er-
fahrungen der Vergangenheit und nach dem Willen der Ver-
fassung Bayerns Geschicke am zweckmässigsten in der Zukunft
zu lenken und zu organisieren seien,