Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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Staatswesens Petitionen bei der Nationalversammlung ohne weı- 
teres zulässig, und über ihre Anbringung und Erledigung traf 
nur die Geschäftsordnung vom 29. Juli 1789 Bestimmung. Ins- 
besondere war hiernach schon die persönliche Uebergabe von 
Petitionen an der Schranke des Hauses zulässig. Es ist bekannt, 
wie gerade dies gemissbraucht worden ist, um durch persönliche 
Uebergabe von Massenpetitionen die gesetzgebende Körperschaft 
einzuschüchtern und den ‚revolutionären Massen der Strasse zu 
unterwerfen. Erst die Verfassungen von 1791 und 1793 er- 
kannten das Petitionsrecht unter den natürlichen und bürgerlichen 
Rechten ausdrücklich an. Den mannigfachen Wechsel der spä- 
teren französischen Verfassungen zu verfolgen, würde ohne Be- 
deutung sein. Den für die Entwicklung des deutschen Ver- 
fassungsrechtes massgebenden Abschluss bildet die Charte consti- 
tutionelle Ludwigs XVIIL. von 1814. Sie zählt das Petitionsrecht 
nicht unter den Grundrechten auf, sondern gestattet in dem 
Abschnitte über die Kammern Art. 53 die Einreichung schrift- 
licher Petitionen bei jeder Kammer, verbietet aber deren persön- 
liche Uebergabe. 
Will man die Bedeutung des Petitionsrechtes für das deutsche 
Staatsrecht würdigen, so muss man sich in den Zustand vor 
Erlass der Verfassungsurkunden oder noch besser in den der 
absoluten Monarchie des 18. Jahrhunderts zurückversetzen. 
Das öffentliche Recht der absoluten Monarchie ist, wenn 
wir von einigen stehen gebliebenen Resten der ständischen Ver- 
fassung absehen, enthalten in der Monarchie und in der Ver- 
waltungsordnung. Die öffentliche Meinung, soweit von einer 
solchen überhaupt die Rede sein kann, geniesst jedenfalls keiner- 
lei rechtliche oder politische Anerkennung. Nur der einzelne 
Unterthan kann die Staatsgewalt in Bewegung setzen und zwar, 
indem er sich an einen der beiden Faktoren des öffentlichen 
Rechtes, den König oder die Behörden, wendet. Dies zu thun, 
kann er durch zwiefache Gründe veranlasst sein.- 
Archiv für öffentliches Recht. XVI. 3. 97
	        
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