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nicht das Recht zustehe, Petitionen in betreff allgemeiner Staats-
verfassungsangelegenheiten anzubringen. Dagegen sprach sich
das Abgeordnetenhaus angesichts des Verfassungskonfliktes am
10. März 1865'!? im entgegengesetzten Sinne aus.
Für die Gemeinden ist in Preussen die Frage jetzt praktisch
erledigt durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes.
Dieses hat den Rechtsgrundsatz entwickelt, dass Stadtverordneten-
versammlungen an die Volksvertretung nur petitionieren dürften
in Angelegenheiten, welche in der Besonderheit der Verhältnisse
der örtlichen Gemeinschaft ihren Ausgangspunkt, in dem Schutze
und der Förderung dieser Verhältnisse ihr Ziel haben. In diesem
Sinne gehörten dergleichen Gegenstände für Petitionen zu den
Gremeindeangelegenheiten. Dementsprechend wurde eine Petition
der Stadtverordneten zu Stettin an den Reichstag gegen die Ge-
treidezölle für erlaubt erachtet, weil diese Petition allerdings das
besondere Interesse der See- und Handelsstadt vertrete!®. Da-
mit ist die grundsätzliche Umgrenzung des Petitionsrechtes der
‚Gemeinden und ihrer Organe gegeben. Das Petitionsrecht wird
anerkannt in den besonderen Angelegenheiten der örtlichen
(temeinschaft, dagegen verneint in Angelegenheiten, die über
diesen Kreis hinaus in das Gebiet der allgemeinen Politik fallen.
Thatsächlich kann der Charakter einer Petition im einzelnen Falle
zweifelhaft sein, die Rechtsfrage ist durch diese grundsätzliche
Entscheidung zutreffend erledigt.
Von diesem Standpunkte aus hat die Aufsichtsbehörde bei-
spielsweise verhindert Petitionen der kommunalen Organe zu
Berlin um Vermehrung der Berliner Abgeordnetenmandate für
Reichstag und Landtag, gegen die Umsturzvorlage.
Als gesetzliches Mittel der Repression gegenüber den Ge-
meinden und anderen Kommunalverbänden hat in Preussen die
2 Stenogr. Bericht 8. 408.
Entscheidung des O.-V.-G, vom 10. März 1886 Bd. XIII S, 89.