492 —
Massen von Unterschriften versehen, unter Umständen einen Aus-
druck der öffentlichen Meinung selbst bilden, lässt sich nicht
leugnen. Aber die öffentliche Meinung zu gewinnen kann eine
Bitte nicht bezwecken, die ihre Erledigung im Kabinette des
Monarchen, in den Akten einer Behörde findet. Die öffentliche
Meinung für eine Petition, mag sie von einem oder von mehreren
ausgehen, gewinnen kann man nur dadurch, dass man sich an
ein Staatsorgan wendet, das selbst die öffentliche Meinung reprä-
sentiert. Das ist die Volksvertretung. Obgleich es rechtlich ganz
gleichgiltig ist, an wen die Petition gerichtet wird, erhalten eine
politische Bedeutung nur die Petitionen, die sich an die Volks-
vertretung wenden.
Damit wendet man sich aber bittend an ein Staatsorgan,
das seinerseits nie in der Lage ist, die Bitte zu erfüllen. Es ist
das Charakteristische der Volksvertretung, dass sie niemals den
Staatswillen selbständig zum Ausdrucke bringen, die Staatsgewalt
selbst ausüben kann. Die Volksvertretung hat nur in den ver-
fassungsmässig vorgesehenen Fällen durch Zustimmung oder Ge-
nehmigung bei Bildung des Staatswillens mitzuwirken, aber sie
bringt ihn nicht selbst hervor. Zweck der Petition ist ein Thun
oder Unterlassen der Staatsgewalt herbeizuführen. Die Volks-
vertretung kann nur ihrerseits wieder die Regierung bitten oder,
da Bitten gegen ihre Würde verstösst, Petitionen der Regierung
zur Berücksichtigung überweisen.
Weshalb denn nun aber überhaupt der Umweg? Weshalb
wendet man sich an ein Organ, das seinerseits nichts anderes thun
kann, als wieder die Regierung zu ersuchen, warum nicht lieber ein-
fach an die Regierung unmittelbar? Es ist der Druck der öffent-
lichen Meinung, verkörpert in der Volksvertretung, die bei Befür-
wortung der Petition in den Dienst der Petenten gestellt wird.
Der Erfolg der Petition wird denn auch sehr verschieden
sein, je nach der Widerstandsfähigkeit, welche die Regierung der
öffentlichen Meinung gegenüber besitzt.