Die öffentlich-rechtliche Natur des neuen deutschen
Vormundschaftsrechtes.
Von
Amtsrichter Dr. GLAESSInG in Offenbach a. Main.
Il,
Die allein entscheidende, den inneren Kern dieser Abhand-
lung bildende Frage: Darf für das neue Recht der Gegenwart
trotz des individuellen Interesses ein öffentlich-rechtliches Ver-
hältnis im Gebiete der Vormundschaft als letzter Grund der
zwingenden Ordnung angenommen werden, liegen nicht ledig-
lich Privatinteressen in zwingender Rechtsform vor? wird an der
Hand der folgenden Einzeluntersuchungen eine Vertiefung er-
fahren insbesondere auch im Hinblick auf das „Sozialrecht* und
dessen Stellung zwischen Privat- und öffentlichem Recht. Es
bedarf wohl keiner Ausführung, dass der rein wissenschaftliche
Oharakter dieser nunmehr dem positiven Gesetzesinhalt gewid-
meten Untersuchung in keinem Zusammenbange steht mit der
durch die Annahme des Bürgerlichen Gesetzbuchs entschiedenen
Frage der Zuständigkeit des Reichs. Die im Gebiete der Vor-
mundschaft im wesentlichen und abgesehen von der landesrecht-
lichen Organisation und dem partikularen Vollstreckungszwange
glücklich errungene Rechtseinheit ist nur freudig anzuerkennen,
auch juristisch und verfassungsrechtlich haltbar vom Standpunkte
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