— 430 —
fassung des modernen Staates privatrechtlichen Gesichtspunkten
unterzuordnen, wie er vielmehr jeden Versuch aufgegeben hat,
eins den Anforderungen der Gegenwart entsprechende Vormund-
schaftsordnung in ihren Grundzügen dem Pandektensystem des
Privatrechtes, insbesondere dem Obligationenrecht als „dem Nerven-
system des Privatrechtes* anzupassen. So herrscht auch heute
die Centralisation der Staatsgewalt in einem Gebiete, in dem
naturgemäss der Familie das Vorrecht gebührt. Diese Aus-
merzung der familienrechtlichen Elemente kennzeichnet sich in
der Anlehnung an das preuss. Landrecht, in der Beseitigung des
nach $ 71 der preuss. V.-O. obligatorischen Familienrates,
in der Entfernung der gesetzlichen Vormundschaft der Eltern
und des Vaters der unehelichen Mutter und nicht zum ge-
ringsten Teil in einer auffallenden Abschwächung des Eiltern-
rechtes insbesondere im Gebiete der väterlichen Gewalt, zu deren
Erschütterung im Wege einer kaum angemessenen, namentlich
im Entwurf I $ 1503 zum Ausdruck gebrachten staatlichen
Aufsicht selbst die Gutachten aus dem Anwaltsstande (Heft 6
S. 419, 421, 428—29, 444 FuULpD) im Sinne einer weiteren Zu-
rücksetzung der väterlichen Rechte aufgefordert hatten. Ist hier-
nach die Vormundschaft ein Gebilde der Staatshoheit, so wird
die Sicherheit dieses privilegiert staatlichen Schöpfungsaktes auch
in einer selbst dem öffentlichen A. L.-R. unbekannten und mit
den Anforderungen der Gegenwart übereinstimmenden Weise
geschützt. Die grosse Erweiterung der Fälle der Genehmigungs-
pflicht des Gegen- und Obervormundes, die scharfe Steigerung
der staatlichen Aufsicht, die dementspreehende Erhöhung der
Verantwortung der vormundschaftlichen Organe und der aus-
gedehnte Zwang’ in der ganzen neurechtlichen öffentlichen Ver-
waltung haben nicht nur in Süddeutschland, sondern auch im
Gebiete der preuss. Vormundschaftsordnung von 1875 tief ein-
schneidende Neuerungen gebracht, so dass der stimmungsvolle Aus-
ruf eines preussischen Praktikers in der Deutschen Juristenzeitung