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die Grenzregulierung in unserer Frage zwischen Privat- und
öffentlichem Rechte denkt, insbesondere auch im Hinblick auf die
Auffassung von GIERKE und JELLINEK.
Ersterer hat in seinem deutschen Privatrecht, Binding’s
Handbuch 8 4, darauf hingewiesen, dass die Gesellschaft sich
nach germanischer und moderner Auffassung nicht in dem Staate
erschöpfe, die Familie, Kirche, Gemeinde, Genossenschaft ent-
halte so viel „Sozialrecht“, d.h. Recht für den Einzelnen als
Teil des Ganzen, das nicht Staatsrecht sei. So rechnet
er zum Privatrecht das Individualrecht und ausserdem das Recht,
welches nicht durch einen staatsrechtlichen Satz dem öffentlichen
Rechte einverleibt ist, also hierher das Familienrecht und das
Körperschaftsrecht der privaten Verbände. Zum öffentlichen
Recht gehört das Recht, welches den Staat als ganzen und die
einzelnen Menschen sowie die übrigen Verbände als Staatsglieder
verbindet, ausserdem das Sozialrecht, welches wegen der Be-
schaffenheit der von ihm geordneten Gemeinschaft als öffentliches
anerkannt ist, so Kirchen-, Gemeinde-, Völkerrecht.
JELLINEK gelangt auch in seinem neuesten Werke „Das
Recht des modernen Staates“ 1900 Bd. IS. 348, 353 ım wesent-
lichen zu dem gleichen Resultate, er giebt jedoch die Formel:
Oeffentliches Recht ist dasjenige, welches ein mit Herrschergewalt
ausgerüstetes Gemeinwesen in seinen Beziehungen zu gleich- und
untergeordneten Personen findet. Er gliedert das öffentliche
Recht in Völkerrecht und Staatsrecht im weiteren Sinne und
teilt letzteres in Justiz- (Straf- und Prozess-), Verwaltungsrecht
und Staatsrecht im engeren Sinne. Er betont jedoch in seinem
„System des sub. ö. R.“ S. 86, dass eine absolute Gegenüber-
stellung zwischen Privat- und Sozialrecht unmöglich sei, „alles
Privatrecht ist eben auch Sozialrecht“, „Privatrecht ist nicht das
Recht zwischen isolierten Menschen, sondern zwischen Zu-
gehörigen zu einem mit Herrschermacht ausgerüsteten Gemein-
wesen“,