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Thronwechsel. Dies Alles ergebe sich aus der Souverainetät der
Reichsgewalt als der über den einzelnen Staaten stehenden über-
geordneten Staatsgewalt. ZACHARIAE (a. a. O. S. 409, 426ff.) kann
ein Absetzungsrecht gegen einen Fürsten wegen Missregierung
und eine dem gleichzustellende Regentschaft nach heutigem deut-
schen Staatsrecht nicht anerkennen und will das in dem Falle
des Herzogs Karl von Braunschweig von dem Bundestage geübte
Verfahren nur auf dessen Recht stützen, bei Gefährdung der
inneren Sicherheit Deutschlands einzugreifen. Denselben Stand-
punkt vertritt HAncke (a. a. O. S. 19). ZÖPFL (Deutsches Staats-
recht Bd. I $ 279, sowie in der Schrift „Die Eröffnung der
Thronfolge als rechtliche Folge des Missbrauches der Staats-
gewalt“) bezeichnet das Recht der Agnaten, in solchen Fällen
die förmliche Entsetzung des Landesherrn auszusprechen, als
„ein in Deutschland fundamental herkömmliches® und ist der
Ansicht, dass, wo die neueren Verfassungen die absolute Un-
fähigkeit nicht mehr als Grund des Ausschlusses von der Thron-
folge gelten lassen, dann, wenn die Entfernung des Landesherrn
von der Regierung wegen Missbrauches der Staatsgewalt noth-
wendig sei, die Anordnung einer Regentschaft zu erfolgen habe.
Dagegen bestreitet ZEUNERT in HırrTH, Annalen des Deutschen
Reiches Jahrg. 1900 S. 302, eine solche Befugniss de lege lata.
Hiernach zeigt sich in der allmählichen Ausbildung des
Deutschen Staatsrechts eine gleichmässige Entwicklung von der
völligen, mit Uebergang auf den Nachfolger verbundenen Aus-
schliessung von der Regierung bis zu der blossen Einsetzung
einer regentschaftlichen Verwaltung, die man von dem ursprüng-
lichen Falle der Minderjährigkeit immer weiter auf die meisten
Gründe der Regierungsunfähigkeit ausgedehnt hat. ZEUNERT
(a. a. O. S. 300) sagt richtig: „Von der Thronunfähigkeit zur
Successionsunfähigkeit, von der Successionsunfähigkeit zur Regent-
schaft geht der Gang der Entwicklung.“ Bei den Fällen der
unheilbaren Geisteskrankheit und der Missregierung bat sich der