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hingewiesen war, dass „das bestehende Successionsrecht dem Ein-
drucke politischer Ansichten und realer Machtverhältnisse werde
weichen müssen®. Am 9. Dez. 1870 wurde die Sache durch
einen Antrag des Abgeordneten MÜLLER wieder aufgenommen,
der unter Hinweis darauf, dass der König Georg die Welfen-
legion gegen Preussen gerüstet und seine persönliche Theilnahme
am Kriege auf französischer Seite in Aussicht gestellt habe, die
Regierung um eine Gresetzesvorlage ersuchte, durch welche die
SS 14 u. 26 N. L.-O., soweit sie die Regierungsfolge des Königs
Georg und seiner Nachkommen beträfen, ausser Kraft gesetzt
würden. Die Verfassungskommission gab freilich anheim, über
diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen, beantragte aber
zugleich, die Regierung zu ersuchen, diejenigen Maassregeln, die
im Falle einer Thronerledigung auch selbst vorübergehenden Stö-
rungen in der Verwaltung des Landes vorzubeugen geeignet seien,
mit der Landesversammlung zu beschliessen und für die dieser-
halb getroffene Vereinbarung die Garantie der Reichsgewalt nach-
zusuchen. Den weiteren Verhandlungen mit der Regierung wurde
ein Gesetzentwurf des Abgeordneten ScHMmiD zu Grunde gelegt,
der dem Kaiser die Regierung mit den Rechten und Pflichten
eines Regierungsvormundes und mit der Ermächtigung über-
weisen wollte, die Regierungsgeschäfte bis auf Weiteres einem
Statthalter zu übertragen. Das Staatsministerium beanstandete
diesen Vorschlag aus dem Grunde, weil der Kaiser in seiner
Eigenschaft als König von Preussen an und für sich nicht un-
betheiligt erscheine und da von preussischer Seite nicht offiziell,
aber doch offizißs Ansprüche auf die demnächstige Regierungs-
nachfolge im Herzogthume erhoben seien. Nach langen Verhand-
lungen kam endlich ein Gesetz zu Stande, durch welches unter
Voraussetzung der Garantie des Kaisers für den Fall, dass bei
eintretender Thronerledigung der berechtigte regierungsfähige
— es ist zu beachten, dass die Regierungsfähigkeit vorausgesetzt
wird — Thronerbe nach übereinstimmender Ansicht des Staats-