Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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Was den ersten Einwand betrifft, so berief ich mich dem- 
gegenüber auf WINDSCHEID, der es für die Aufgabe des Richters 
erklärt, den Willen des Gesetzgebers nicht nur da zu erforschen, 
wo dieser das von ihm Gewollte in einen mangelhaften Ausdruck 
gekleidet hat, sondern auch da, wo er einen Gedanken überhaupt 
nicht gedacht hat, wo aber anzunehmen ist, dass, falls er dies 
gethan hätte, er seine Entscheidung in einem bestimmten Sinne 
getroffen haben würde. Es ist richtig, dass dieser Standpunkt 
die Aufgabe des Richters wesentlich erweitert, aber es entspricht 
meines Erachtens dem Interesse der Rechtsentwicklung, wenn der 
Richter nicht auf das enge Gebiet der Auslegung des gegebenen 
Gesetzes beschränkt, sondern zu einem Recht schaffenden Organe 
gemacht wird. 
Dass in den Handbüchern des Staatsrechts zwischen der Rechts- 
stellung eines regierungsfähigen und eines regierungsunfähigen 
Landesherrn nicht unterschieden wird, ist richtig, aber der Fall 
einer Regentschaft für einen regierungsfähigen Landesherrn, wie er 
in Braunschweig besteht, ist in der That der erste seiner Art. Bisher 
hatte man, wo politische Gründe, insbesondere eine Missregierung 
dazu geführt hatten, einem solchen Herrscher die Regierung vorzu- 
enthalten, einfach Thronentsetzung eintreten lassen. Noch in dem 
Falle des Herzogs Karl war demgemäss verfahren. Hat man 
jetzt zuerst zu dem Mittel einer blossen Regentschaft gegriffen, 
so kann man auf das Vorbild der Regentschaften für regierungs- 
unfähige Landesherren offenbar nicht zurückgreifen, sondern muss 
die Anhaltspunkte unter Beobachtung der bisherigen Rechts- 
entwicklung gewinnen, d. h. man muss die Richtungslinien, die 
sich in ihr erkennen lassen, weiter ziehen, um zu ermitteln, welche 
Konsequenzen in der Rechtsbildung gewissermaassen potentiell 
enthalten sind und nur auf Ausgestaltung warten. Ist das Recht 
ein Organismus, dessen Triebkraft auf dem unbewusst schaffenden 
Volksgeiste beruht, so muss von ihm dasselbe gelten wie von 
der Pflanze, deren spätere Gestalt ebenfalls in ihrem Keime be-
	        
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