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Ehrenauszeichnung dazu gelangt, dem Staate an und für sich
eine ziemlich weitgehende Befugnis zur Entziehung der von ihm
verliehenen Titel, Orden und Ehrenzeichen zuzusprechen, ohne
dass wir bisher geprüft hätten, ob der Inhaber einer solchen
Auszeichnung in Bezug auf dieselbe wirklich ein subjektives Recht
hat oder nicht. Es giebt nun aber Fälle, in denen unser natür-
liches Rechtsgefühl dem Staate ein Entziehungsrecht gewähren
will, ohne dass dem Inhaber irgend welche Unehrenhaftigkeit zur
Last gelegt werden könnte. Man nehme nur an, ein Soldat, der
sich im Kampfe gar nicht hervorgethan hat, habe infolge irr-
tümlichen !° Berichts einen Orden für ausserordentliche Tapferkeit
bekommen oder ein Politiker habe, nachdem er einen hohen
Titel für verdienstvolles Wirken erhalten hat, in einer dem all-
gemeinen Besten zuwiderlaufenden Weise die Politik der Staats-
regierung bekämpft. Auch in derartigen Fällen erscheint ein
Entziehungsrecht des Staates erforderlich, und es drängt sich
daher die Frage auf, ob nicht der Staat an sich die von ihm
verliehenen Auszeichnungen, auch abgesehen von einer Unehren-
haftigkeit des Inhabers, vielleicht gar in unbeschränkter Weise,
wieder entziehen kann.
Die Staatsgewalt ist zwar formell eine schrankenlose Gewalt,
sie kann aber nicht, ohne ein materielles Unrecht zu begehen,
Rechte von Einzelpersonen verletzen!*. Hat daher der Inhaber
einer Auszeichnung in Bezug auf dieselbe ein Recht, so muss der
Staat es je nach seinem Üharakter achten. Ist es ein Privat-
recht, so steht es unter dem Schutze der vom Staate eingesetzten
ordentlichen Gerichte, und es ist für den Staat unverletzlich'”,
18 Ist der Orden dagegen auf Grund eines von dem Soldaten selber
erdichteten Berichtes erteilt worden, so kann er schon wegen irriger Voraus-
setzung der Ehrenhaftigkeit des Auszuzeichnenden wieder entzogen werden.
ı* Aehnlich Schuze a. a. O. 8 137 S. 136.
1 Eine Entziehung wegen Irrigkeit oder Nichterfüllung der Voraus-
setzung, wovon das Recht seinem Wesen nach abhängig ist (wie der Ehren-
verpflichtung), würde natürlich nicht als „Verletzung“ anzusehen sein.