— 579 —
Völkerrecht finden wir auch bei FRICKER?’, ZACHARIAE® u. a.
Den meisten Völkerrechtslehrern ist sie so in Fleisch und Blut
übergegangen, dass es eines Blickes in ein beliebiges Lehrbuch
unserer Wissenschaft genügt, um Zeuge jener „Bacchanalien“ zu
werden, denen sich die privatrechtliche Richtung in einer ganzen
Reihe von Instituten hingiebt.
In letzter Zeit hat indessen dieser Zustand eine Protest-
bewegung in der Litteratur hervorgerufen; es fanden sich „Un-
zufriedene“, die das Banner der Rebellion erhoben, und bald
entbrannte ein heftiger Kampf gegen die veralteten Anschau-
ungen. Zu allererst wurde die Lehre von dem Erwerb der Ge-
bietshoheit, speziell das Institut der Occupation, welches dank
den kolonisatorischen Bestrebungen Deutschlands und Italiens in
den letzten zwanzig Jahren eine kolossale praktische Bedeutung
gewonnen hat, einer Revision unterzogen. Das Skalpel des
Forschers hatte auf diesem Gebiet nicht wenig Auswüchse zu
entfernen, die auf dem Boden der Analogien mit dem römischen
Recht entstanden waren und grossgezogen worden sind. Da-
nach wurde zuerst von JELLINEK°, sodann von HEILBORN!” ein
entschiedener Schlag gegen die sogen. Grundrechte der Staaten
geführt. Als illegitime Nachkommen der Lehre von den ewigen,
unerschütterlichen Menschen- und Bürgerrechten erkannt, sind
sie von der neuesten Doktrin, wahrscheinlich für immer, aus dem
System des Völkerrechts entfernt worden. Endlich wurde auch
die Lehre vom Staats- oder völkerrechtlichen Eigentum (domaine
international), den Servituten u. s. w. angegriffen.
Es ist nicht die Aufgabe der vorliegenden Abhandlung, die
Bedeutung der privatrechtlichen Kategorien und Analogien für das
" Vom Staatsgebiete 1867 8. 6.
8 Deutsches Staats- und Bundesrecht Bd. I S.2. Vgl. Trierer, Völker-
recht und Landesrecht 1899 S. 211ff. :
® System der subjektiven öffentlichen Rechte S. 302.
1% System des Völkerrechts 1896 S. 279.