Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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Völkerrecht in seinem ganzen Umfange zu erforschen. Es wird nur 
beabsichtigt, bei einer speziellen Frage zu verweilen, nämlich bei 
der Lehre vom völkerrechtlichen Rechtsverhältnis, und die wahre 
juristische Natur dieses Begriffs klarzulegen. 
1. 
Was ist also unter dem völkerrechtlichen Rechtsverhältnis 
zu verstehen? Mit andern Worten, in welchen Fällen werden die 
zwischen zwei oder mehreren Staaten bestehenden Verhältnisse 
durch die Normen des Völkerrechts geregelt? 
Zur Vermeidung möglicher Missverständnisse müssen hier 
einige Bemerkungen vorausgeschickt werden. Erstens lassen wir 
die Frage von der Korrelation der Rechts- und Lebensverhältnisse, 
speziell die Frage, ob Rechtsverhältnisse nicht eigentlich Lebens- 
verhältnisse sind, die eine juristische Form angenommen haben, 
vollkommen beiseite. Ebensowenig wollen wir der sehr angestrittenen 
Lehre vom „rechtsleeren Raum“, nach BERGBOHM’s Terminologie "', 
d. h. der Frage von der Existenz von Verhältnissen, die vom 
Standpunkte des Rechts indifferent sind, Erwähnung thun. Wir 
nehmen bloss den Komplex derjenigen zwischenstaatlichen Ver- 
hältnisse, die zweifelsohne durch Rechtsnormen geregelt werden, 
und fragen: Welches sind diese Normen? 
Vom Standpunkte der herrschenden Theorie werden alle 
(juristischen) Verhältnisse zwischen den Staaten von dem Völker- 
recht normirt. Bei den Anhängern einer privatrechtlichen Kon- 
struktion unserer Wissenschaft ist eine derartige Lösung der 
Frage nicht nur vollkommen erklärlich, sondern auch durchaus 
notwendig. In der That werden doch die Beziehungen zwischen 
den Menschen (wenn man von ihrer Stellung im öffentlichen 
Rechte und ihrem Verhältnis zum Staate absieht) durch Normen 
derselben Ordnung geregelt. Diese Verhältnisse der Menschen 
!! Jurisprudenz und Rechtsphilosophie 1892.
	        
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