Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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scheinlich dieser Unterschied auch ist, wird er doch von vielen 
Schriftstellern konsequent ignoriert. So z. B. ruft LAURENT 
in seinem „Droit civil international“ pathetisch aus: „Il serait 
absurde, que la Belgique put acquerir une province par un traite 
et que l’Etat Belge ne put acquerir & Paris un hötel pour son 
ambassadeur“ ?®, und A. Weıss°® ist mit diesem Ausspruch voll- 
kommen einverstanden. Ebenso scheint auch FERAUD-GIRAUD 
der Ansicht zu sein, dass ein Staat als „personne politique“ un- 
bewegliches Eigentum in den Grenzen eines andern Staates be- 
sitzen kann’?!, 
Um den fundamentalen und prinzipiellen Unterschied dieser 
beiden Erwerbsarten klarzulegen, ist es nötig, wenn auch nur 
in kurzen Zügen, auf die rechtliche Natur der Gebietshoheit 
und den Mechanismus der Staatserweiterungen hinzuweisen. Der 
moderne Begriff der Gebietshoheit (souverainet& territoriale) unter- 
scheidet sich in vielem von dem mittelalterlichen. Wie bekannt, 
trug der Feudalstaat einen patrimonialen Charakter. Die Landes- 
herren sahen sich als die Eigentümer der Besitzungen an, über 
die sich ihre Macht erstreckte, wobei die letzte als ihr privates, 
der Entäusserung von seiten des Besitzers unterliegendes Recht 
gedacht wurde. Indem sie zu einander in Beziehungen traten, 
verfuhren sie mit ihren Besitzungen wie Eigentümer mit ihren 
Sachen, erwarben und veräusserten dieselben nach dem Schema 
des privaten römischen Rechts. In Deutschland erhielt sich diese 
patrimonialprivate Ordnung sehr lange; sogar am Ende des 
18. Jahrhunderts konnte BIENER mit vollem Recht behaupten, 
dass „Germania tota regitur iure patrimoniali et herili“°?, 
» 4. IV p. 251. 
®© A. Weiss, A. Laie, Consultations pour le gouvernement royal 
Hellönique sur l’affaire Zappa 1893 p. IX. 
sı Feraun-GiRrAup, Etats et souyerains etc. devant les tribunaux etrangers 
1895 t. I p. dl. 
” De natura et indole dominii 1780 p. 40. Vgl. Huco PrEUSS, Ge- 
meinde, Staat, Reich 1889 S. 327.
	        
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