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Im 17. Jahrhundert gelang es der königlichen Gewalt in
Frankreich, die Macht des Feudaladels endgiltig und unwider-
bringlich zu brechen. Der krasseste Absolutismus trat auf und
zugleich mit ihm die Anschauung, dass der Staat Eigentum des
Königs sei. Die Herrscher begannen sich mit dem Staate zu
identifizieren und alle Rechte der Unterthanen, das Recht des
Privateigentums nicht ausgenommen, von der Gnade des Souve-
räns abzuleiten °®.,
Unter solchen Umständen ist es ganz verständlich, dass auch
in der Theorie die Lehre von der Gebietshoheit eine grell civili-
stische Färbung erhielt. Besonders deutlich trat das in der
Doktrin des Völkerrechts hervor (siehe oben). Viele Institute
dieser Disziplin erhielten eine civilrechtliche Konstruktion, unter
anderem auch die Lehre von den modi acquirendi dominü in der
Sphäre der zwischenstaatlichen Verhältnisse. Von Anfang an
wurden als solche modi Erbschaft, Mitgift, Schenkung, Kauf und
Verkauf, Tausch, Occupation, Verjährung u. s. w. anerkannt.
Im Laufe der Zeit kamen noch das schiedsrichterliche Urteil und
einige andere Titel hinzu.
Mit dem Falle der letzten Reste des Feudalstaates ver-
änderte sich die Sachlage. An Stelle des alten, auf privat-
rechtlichem Fundamente erbauten Staates entstand ein neuer, auf
öffentlichrechtlichen Grundlagen errichteter, politischer ÖOrganis-
mus. Gleichzeitig musste sich auch die Konstruktion der Gebiets-
hoheit umgestalten. Anfangs schüchtern, dann immer kühner
schritt die Theorie auf diesem neuen Wege hin und schied
aus diesem Begriff alle sachenrechtlichen Elemente aus. Ohne
uns bei den Kontroversen aufzuhalten, die bis heute in
betreff der juristischen Natur des Territoriums in der Litte-
ratur herrschen, wollen wir bloss die Ansicht anführen, die,
838 M. Lanpmann, Der Souveränetätsbegriff bei den französischen Theore-
tikern, 1896 S. 107 ff.