Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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unserer Meinung nach, am meisten der wirklichen Sachlage ent- 
spricht *. 
Vom Standpunkt des heutigen Staatsrechts ist das Gebiet 
kein Objekt des Staates, sondern bloss ein Moment im Begriff 
desselben. Der Staat herrscht nicht über das Territorium, 
sondern in dessen Grenzen, und diese letzteren bestimmen nur 
die räumliche Sphäre der staatlichen Herrschaft. Auf diese 
Weise ist dem Territorium überhaupt der Charakter einer Sache 
genommen; das Verhältnis zwischen ihm und dem Staat hat 
nichts mit dem Verhältnis des Eigentümers zu seiner Sache 
gemein. Das Gebiet ist bloss der materielle Rahmen, in dem 
der politische Organismus sein imperium ausübt. Was aber 
das dominium, die Sachenrechte, anbetrifit, so kann davon nur 
dann die Rede sein, wenn der Staat — als Fiskus — gewisse 
Rechtsansprüche auf irgend ein Grundstück oder überhaupt 
ein Immobil geltend macht. Hierbei ist aber zu bemerken, 
dass wenn sogar das gesamte Territorium sich in Staatseigentum 
verwandeln sollte, die Gebietshoheit als solche doch keinen sach- 
lichen und privatrechtlichen Charakter erhalten würde. 
Wenn der hier dargelegte Standpunkt richtig ist, nämlich 
dass das Gebiet kein Objekt der Staatsherrschaft ist, so muss 
auch die Lehre von der acquisitio dominii ein ganz anderes Aus- 
sehen bekommen als das, welches ihr gewöhnlich gegeben wird. 
Indem ein Staat irgend ein Gebiet sich einverleibt, vermehrt er 
nicht sein „Vermögen“, sondern erweitert bloss die gesetzlichen 
Grenzen seiner Herrschaft, seine Kompetenz ratione loci. Er er- 
wirbt hierbei keine neue Gewalt, sondern verbreitet nur die 
seinige auf solche Gebiete, die sich bis dahin unter fremder oder 
überhaupt keiner Souveränität befanden’°®. 
‚Damit ein Staat (ratione loci) grösser oder kleiner werden 
& Vgl. Hueo Prevss, op. cit. S. 263ff.; HEILBoORN, System des Völker- 
rechts 1886 8. Öff. und JELLINER, op. cit. 8. 3öäff. 
8 Richtig: HUBER, Die Staatensuccession. Leipzig 1898 S. 18.
	        
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