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Diese Auffassungsweise verunstaltet aber auch das ganze
Rechtsinstitut der Öffentlichen Sache der Art, dass es seinem
verkehr begegnet.“ Also nicht in der Wirklichkeit des Rechts? Ueberdies:
„Nur dem Individuum im bürgerlichen Rechtsverkehr erscheint der Fiskus
als juristische Person des Civilrechts zuweilen neben dem Staat. Dem Staate
und seinen Organen gegenüber ist und bleibt der Fiskus nur Organ, oder
hesser staatliche Kompetenz.“ Diesen letzteren Umstand „übersah die
ältere Doktrin, und darin liegt ihr grosser Fehler“. — Ich fürchte, dass hier
der alte, ehrliche Fiskus sich in Redensarten verflüchtigt. Das Wort „Or-
gan“ aber sollte man für juristische Ausführungen endlich einmal verbieten.
Es ertödtet alles wissenschaftliche Verantwortlichkeitsgefühl. — AnscHürtz,
Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen S. 88 N. 60, glaubt sich
vor dem ganzen Dilemma geborgen hinter dem $ 25 Allg. L.-R. Th. II Tit. 14,
der doch durch „keine theoretische Konstruktion aus der Welt geschafft
werden kann“. Er lautet: „Dies gemeine Staatseigenthum selbst ist den Do-
mänen völlig gleich zu achten.“ Damit soll nach Anscaütz ein für allemal
verfügt sein, dass das Eigenthum an Landstrassen u. dgl. als privatrecht-
liches aufzufassen sei. Das scheint mir aber doch über das Recht des be-
stimmungsgemässen Gebrauches' eines Gesetzestextes hinauszugehen. Bei
dieser Auslegung hätte der harmlose Paragraph, den die Kommentatoren
bisher als ziemlich nichtssagend betrachteten (Koca, Kom. zu $ 25 Th. H
Tit.14 N.16), auch der Konfiskation, der schweren Geldstrafe, dem Abzugs-
geld allen „Konstruktionen“ zum Trotz privatrechtlichen Charakter aufgeprägt;
denn auch diese werden unmittelbar vorher ($ 23) zum „gemeinen Eigenthum
dies Staates gerechnet“. An derartiges hat der Gesetzgeber gar nicht ge-
dacht. Ganz sicher freilich haben die Juristen, die am Allgemeinen Land-
recht arbeiteten, die öffentlichen Sachen sich so vorgestellt, dass sie in privat-
rechtlichem Eigenthum ständen, und das thaten sie gemäss der höchst eigen-
thümlichen „Konstruktion“, welche die Fiskustheorie an die Hand gab. Mass-
gebend für uns ist nur, was das Gesetz thatsächlich für die Öffentlichen
Sachen in Th. II Tit. 15 geordnet hat. Und das erklären wir eben vom heu-
tigen Standpunkt aus besser und einleuchtender mit einer neueren Kon-
struktion. — Das Wort Konstruktion ist in Misskredit gerathen., Es wird
geradezu als Vorwurf gebraucht mit dem Beigeschmack der leeren, will-
kürlichen Konstruktion. Eine Rechtswissenschaft, die als ihre oberste Auf-
gabe erkennt, realistisch zu sein, ist empfindlich dagegen. Gleichwohl wird
sie auf diese Gefahr hin nicht darauf verzichten dürfen, immer wieder zu
versuchen, die Mannigfaltigkeit der Einzelerscheinungen unter die Herrschaft
allgemeiner Ideen zu zwingen, also zu konstruiren. Deshalb allein ist sie
Rechtswissenschaft. Die Korrektur aus der Wirklichkeit des Rechts ist will-
kommen. Aber dieser Art ist der von Anschürtz erhobene Einwurf keineswegs.
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