Studien zum Staatsbegriffe.
Von
Dr. A. Affolter in Solothurn.
I. Es ist, namentlich von GIERKE, wiederholt hervorgehoben
worden, dass der Staat nicht als einzige Erscheinung seiner
Gattung, sondern als eine Art der menschlichen Verbände er-
scheint. Diese Auffassung ist heute, soweit wir sehen!, eine un-
bestrittene. M
Der Staat ist eine Körperschaft, und es wird deshalb bei
jeder Untersuchung nach dem Staatsbegriffe die erste Aufgabe
bilden, dem Wesen der Körperschaft näher zu treten.
Die Körperschaft weist auf: eine Anzahl von Personen und
Rechtsnormen. Bezüglich der letzteren sind zu unterscheiden die
Rechtsnormen, welche innerhalb der Körperschaft für die Mit-
glieder gelten, das innere Körperschaftsrecht, und die Rechts-
normen, welche allgemein für derartige Körperschaften gelten,
das äussere oder allgemeine Recht. Das innere Recht wird ge-
wöhnlich von den Mitgliedern oder Organen der Körperschaft
selbst geschaffen (Statuten), eigenes inneres Körperschaftsrecht;
es kann aber dieses innere Recht zum Teil durch die äussere
Rechtsordnung selbst festgestellt sein. Die Beziehungen der Mit-
1 Vgl. Prevss, Gemeinde, Staat, Reich u. s.w. S.122, 130, 257; Rosm,
Das Recht der öffentlichen Genossenschaft 9.40; neuestens: RıcHarp ScoHMIDT,
Allgemeine Staatslehre S. 13,