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Kultur und Ausdehnung des Verbandes mehr und mehr aus-
bildet. „Darin zeigt sich der Rechtsorganismus dem natürlichen
Organismus durchaus gleich, dass er eine stete Ausbildung auf-
weist. Freilich beruht, namentlich im modernen Staate, vieles
auf freier Gestaltung und Erfindung. Aber dennoch kann man
nicht von einem KRechtsmechanismus statt Rechtsorganismus
sprechen. Der Mechanismus ist im Gegensatz zum Organismus
Kunst, während der staatliche Organismus in menschlichen Trieben
seine Ursache findet. Der Mechanismus ist wohl erweiterungs-,
nicht aber anpassungsfähig und namentlich auch nicht aufsaugungs-
fähig. Der Mechanismus steht bei der geringsten Störung, und
zwar bei Störung an ganz unbedeutenden Bestandteilen, vollkommen
still und kann erst nach Reparatur, gestützt auf den gegebenen
Plan, wieder funktionsfähig gemacht werden; der Mechanismus
nützt sich ab und muss von Zeit zu Zeit ersetzt werden. Der
Rechtsorganismus gleicht darin dem natürlichen Organismus,
dass auch starke Störungen, ja die vollständige Erlahmung von
Organen, plötzliche Erschütterungen und starke Eingriffe nur
vorübergehende Verwicklungen und krankhafte Zustände, nicht
aber eine totale Lahmlegung, einen Stillstand der Funktions-
thätigkeit im Gefolge haben.
Wir haben die Inkraftsetzung der Organisation als Willens-
akt bezeichnet. Der Wille geht dabei naturgemäss dem Akte
voraus. Der Wille ist ein Rechtssetzungswille, und mit Einsetzung
der Organisation haben wir gesetztes, positives Recht. Die Aus-
bildung des staatlichen Rechts zeigt die gleiche Erscheinung;
der Wille geht auf Neuerung und Erweiterung des Rechts, und
sobald dieser Wille durchgeführt ist, haben wir positives Recht.
Dabei ergiebt es sich, dass der Inhalt des gesetzten, positiven
Rechts bereits vorhanden ist in den Vorstellungen, welche den
rechtssetzenden Willen begleitet haben. Diese Vorstellungen,
welche im modernen Staatsleben in sog. Entwürfen zu Tage
treten, sind aber nach herrschender Auffassung das Recht noch
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