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Der Satz, dass alles Recht zuerst politische Vorstellung sei,
scheint eine Einschränkung zu erfahren bei denjenigen Rechts-
gebieten, die nicht unmittelbar mit dem Rechte der staatlichen
Organisation zusammenhängen. Es ist richtig, dass es eine
grosse Anzahl von Vorstellungen giebt, die allen anständigen
Menschen eines Zeitalters gemeinsam sind und deshalb des Merk-
males des subjektiv Bewegenden, welches dem Begriffe des Po-
litischen innewohnt, sozusagen gänzlich entbehren. So ist man
darüber einig, dass Verträge gehalten werden sollen, dass Mord,
Todschlag, Verleumdung, Diebstahl, Betrug u. s. w. unerlaubt
seien. Aber sobald es sich um nähere Ausführung allgemein
anerkannter Grundsätze handelt, beginnen die Ansichten aus-
einander zu gehen und sich zu regen. Diese Ansichten kann
man politische Ansichten im weitesten Sinne des Wortes nennen;
öfters tragen diese Ansichten sogar ein starkes politisches Ge-
präge, man denke an die Frage der Todesstrafe, der Zulassung
der Civilehe, Gestaltung der Ehescheidungsgründe, des Sittlich-
keitsschutzes auf dem Gebiete der Kunst und Litteratur u. s. w.
Die politische Ansicht ist aber nicht bloss das Bewegende
bei der Rechtsbildung, sondern auch bei derjenigen Rechts-
ausführung, die sich in Verfügungen und Wahlen zeigt. Da-
gegen ist die Rechtssprechung von politischen Ansichten grund-
sätzlich unabhängig. Wir unterscheiden demnach politische und
nicht politische Organe oder Behörden. Die politischen sind
diejenigen, welchen der Erlass von Gesetzen, Verfügungen und
Organisation ist eine Positivität nicht möglich; lediglich die Organisation
giebt dem Rechte die Kraft. Die Ursache der Geltung liegt in dem Willen
der Organe, der Behörden. Es ist unrichtig, die Geltung des Rechts in der
allgemeinen oder durchschnittlichen Anerkennung oder Ueberzeugung der
Volksgenossen finden zu wollen. Die Bevölkerung verhält sich teils indiffe-
rent, teils drückt sie ihre Zustimmung oder Missbilligung bei Ausübung der
politischen Rechte aus. Aber auch eine offene und allgemeine Unzufrieden-
heit über Rechtsinstitutionen benehmen letzteren die Geltung noch nicht.
Nur ein organisierter Widerstand wird der Geltung von Rechtsinstitutionen
gefährlich.