Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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personen. Ich bejahe die Frage. Staaten treten häufig in privat- 
rechtlichen Verkehr miteinander; ein Staat verkauft dem anderen 
Waffen, Schiffe, zwei Staaten vereinbaren sich über die Kosten 
von Korrektionen u. s. w. Es ist klar, dass solche privatrechtliche 
Verträge Verträge, und zwar solche bindender Natur sind, nicht 
nach Vorschrift des von den betreffenden Staaten aufgestellten 
Privatrechts, sondern nach allgemeinen über den Staaten herr- 
schenden Normen, d. h. nach den Normen des allgemeinen Privat- 
rechts. Es kommt auch nicht unhäufig vor, dass ein Staat mit 
Privatpersonen anderer Staaten kontrahiert, z. B. mit auswärtigen 
Banken über Anleihen, mit Geschütz- oder Gewehrfabrikanten 
über Lieferung von Waffen u. s. w. Auch diese privatrechtlichen 
Verträge sind solche nach den allgemeinen Privatrechtsnormen. 
Wenn z. B. die Schweiz behufs Deckung ihrer Eisenbahnschuld 
ein Anleihen bei englischen und amerikanischen Banken aufnehmen 
würde, so wird sie schuldig nicht nach schweizerischem Obligationen- 
rechte, nicht nach englischem oder amerikanischem Rechte, son- 
dern nach Rechtsgrundsätzen des internationalen Verkehrs. 
Es giebt somit ein allgemeines Privatrecht neben dem Völker- 
rechte, enthaltend die in allen modernen Kulturstaaten anerkann- 
ten Hauptprinzipien des Privatrechts. Solche Rechtsgrundsätze 
haben sich im Verlaufe der Zeiten ausgebildet. 
Die Geltung oder Positivität des Völkerrechts und des all- 
gemeinen Privatrechts liegt in dem Willen der massgebenden 
Staatsorgane; dieser Wille ist determiniert durch die Achtung 
vor der inneren, überzeugenden Kraft der Rechtsgrundsätze selbst, 
durch das Gefühl, dass Moral und Anstand die Erfüllung ent- 
standener Verpflichtungen erfordern, durch die Scheu vor der 
öffentlichen Meinung, welche den Bruch der Rechtspflicht verurteilt, 
und endlich durch die Furcht vor Nachteilen und Gegenmassregeln. 
Nach der bisherigen Erörterung können wir den Begriff des 
Staates dahin bestimmen: Der Staat ist die zur Ermöglichung 
eines geordneten und gedeihlichen, vor äusseren Angriffen ge- 
Archiv für öffentliches Recht. XVII. 1. 9
	        
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