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Der Anordnung seiner Excerpte hat der Verf. die Legalordnung der
Reichsverfassung zu Grunde gelegt, darin einigermassen von KUNTZEMÜLLER
abweichend, welcher eine gewisse Systematik zu befolgen sich bemühte. Ob
diese Art der Aneinanderreihung sehr vorteilhaft war, kann zweifelhaft
sein. Ganz abgesehen davon, dass eine gewisse Reihe von Artikeln der
Verfassung, welche mit abgedruckt werden, ohne Interpretation bleibt, ist
es natürlich, dass viele der Bismarckschen Reden und gerade die bedeu-
tendsten, den Geist der Reichsverfassung als solchen beleuchtenden, sich
nicht auf den Leisten eines bestimmten einzelnen Artikels bringen lassen
und daher mit gewisser Willkür hier oder dort untergebracht werden.
Auch die vorkommenden Wiederholungen (z. B. S. 27 mit 39, 82 mit 86,
77 mit 148) hängen damit zusammen.
Unbedingte Vollständigkeit wird wohl der Verf. nicht für sich in Anspruch
nehmen, um so weniger, als die Beurteilung desjenigen, was für das Ver-
ständnis der Reichsverfassung wichtig ist, individuell bleibt. Aufgefallen ist
mir z. B., dass für das zu Art. 16—18 behandelte Vetorecht des Kaisers bei
der Gesetzgebung wohl die Reichstagsrede vom 21. Febr. 1881, welche ein
solches als faktisch bestehend anerkennt, nicht aber die Erzählung aus den
„Gedanken und Erinnerungen“ (Bd. 2 S. 306) aufgenommen ist, wie Bis-
marck den Kaiser Friedrich zur Vollziehung des Reichsgesetzes vom 19. März
1888 über die Verlängerung der Legislaturperiode des Reichstages durch den
Hinweis darauf bestimmte, „dass ein Veto gegen übereinstimmende Beschlüsse
beider gesetzgebend.an Körperschaften die Reichsverfassung dem Kaiser nicht bei-
gelegt habe“. Der Zusammenhalt beider Stellen ergiebt zugleich, dass man
die Aeusserungen des Politikers Bismarck zur Reichsverfassung für eine rein
objektive Auslegung derselben bei voller Anerkennung ihrer Bedeutung
immer doch nur mit Vorsicht und nach Massgabe der Umstände, unter denen
sie gefallen sind, verwerten darf.
Durch die Hinzufügung eines ausführlichen Namen- und Sachregisters
hat der Verf. die Benutzung seines Buches erleichtert. Im übrigen er-
mangelt dasselbe, abgesehen von der erwähnten Vorrede, eigener zusammen-
fassender Erörterungen. Auch die vorhandene staatsrechtliche Litteratur ist
nicht herangezogen; sonst wäre in Bezug auf die Frage, wie Bismarok den
Rechtscharakter des Reiches und die Stellung seiner Organe sich gedacht
hat, der Vortrag von Anschürz „Bismarck und die Reichsverfassung“ (1899)
und die Schlusserörterung meines Aufsatzes „Grundzüge einer all-
gemeinen Staatslehre nach den politischen Reden und Schriftstücken des
Fürsten Bismarck“ (1898) zu erwähnen gewesen.
Dass das Buch Excerpte enthält, welche weniger staatsrechtlichen als
politischen Inhalts sind, ist nach der im Vorwort ausgedrückten Bedeutung,
die der Verf. seiner Arbeit beilegt, verständlich, Manchmal geht er
wohl zu weit darin, so z. B. wenn er zu Art. 35 ein langes Excerpt aus
der Reichstagsrede vom 12, Februar 1885 mit der Veberschrift „Nothwendig-